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Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Nicht-Anführung des Kündigungsgrundes

HELMUT ZIEHENSACK (WIEN)
§ 21 Abs 1 iVm § 22 Abs 1 Universitäten- KollV; § 32 Abs 1 VBG; §§ 6, 7 ABGB
  1. Hat eine Kündigung begründet und schriftlich zu erfolgen, entspricht es dem Zweck der Regelung, dass die Angabe des Kündigungsgrundes als Teil der Kündigungserklärung schriftlich zu erfolgen hat und so den vom DG herangezogenen Kündigungsgrund objektiv belegbar macht.

  2. Ist aber die Angabe des Kündigungsgrundes wie dargelegt Teil der notwendigerweise schriftlichen Kündigungserklärung, so ergibt sich bereits aus § 21 Abs 1 KollV, dass ein Verstoß gegen diese Formvorschrift zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.

  3. Enthält die schriftliche Kündigung keine Angabe eines Kündigungsgrundes, macht dies mangels Einhaltung der kollektivvertraglichen Formvorschrift die Kündigung daher unwirksam. Auf mündliche Erklärungen anlässlich der Kündigung kommt es nicht an. Feststellungen dazu sind daher nicht zu treffen.

  4. Die Kündigungsgründe müssen in dem Kündigungsschreiben angeführt werden; ein nachträgliches Unterschieben von anderen Kündigungsgründen wird nicht zugelassen.

[1] Die Kl ist am 26.3.1969 geboren. Sie ist seit 17.2.2004 im Ausmaß von 20,4 Wochenstunden mit einem monatlichen Bruttogehalt von 2.353,58 €, 14 x jährlich, bei der Bekl beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für die AN der Universitäten (idF: KollV) anzuwenden. Das Dienstverhältnis wurde von der Bekl mit folgendem Schreiben vom 24.5.2022 aufgekündigt:

„Auflösung des Dienstverhältnisses

Sehr geehrte Frau P*!

Wir sehen uns leider dazu veranlasst, das zwischen Ihnen und der Universität * ab * 2004 eingegangene Dienstverhältnis unter Einhaltung der kollektivvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zum 30.9.2022 aufzukündigen. Das Dienstverhältnis endet daher am 30.9.2022. Wir ersuchen Sie, Ihren offenen Resturlaub während der Kündigungsfrist zu konsumieren. Die aliquoten Sonderzahlungen werden mit der Endabrechnung ausbezahlt. Ihre Arbeitspapiere und die Endabrechnung erhalten Sie nach Beendigung des Dienstverhältnisses im Postweg übermittelt.

ISd § 105 ArbVG wurde der BR von der Kündigung ordnungsgemäß verständigt.

Mit freundlichen Grüßen“

[2] Die Kl begehrt die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis zur Bekl über den 30.9.2022 hinaus aufrecht fortbestehe, in eventu, die mit Schreiben vom 24.5.2022 ausgesprochene Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses für rechtsunwirksam zu erklären. Sie bringt vor, sie unterliege dem besonderen Kündigungsschutz nach § 22 KollV, wonach das Arbeitsverhältnis nur unter Angabe eines Grundes gekündigt werden dürfe. Da ein solcher im Kündigungsschreiben nicht genannt sei, sei die Kündigung rechtsunwirksam. Darüber hinaus sei sie auch sozialwidrig.

[3] Die Bekl bestreitet. Sie wendet – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – ein, zwar müsse aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit die Kündigung der Kl begründet sein, das Unterbleiben der Nennung des Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben mache die Kündigung jedoch nicht per se rechtsunwirksam. § 21 KollV normiere zwar ein Schriftlichkeitserfordernis für die Kündigung, nicht jedoch für die Angabe des Kündigungsgrundes. Es reiche aus, wenn der Kündigungsgrund spätestens im gerichtlichen Verfahren objektiviert werde.

[4] Das Erstgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30.9.2022 hinaus aufrecht fortbesteht. Die Kündigung sei nur schriftlich zulässig und müsse der angegebene Kündigungsgrund iSd § 22 Abs 2 KollV vorliegen. Daher führe die Nichtangabe des Grundes im Kündigungsschreiben zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dies stimme auch damit überein, dass der KollV im Zuge der Ausgliederung der Universitäten entstanden sei und die Kollektivvertragsparteien offensichtlich ein Surrogat für den Kündigungsschutz der Vertragsbediensteten schaffen wollten.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl gegen diese Entscheidung nicht Folge. Gem § 22 KollV würden bestimmte AN, zu denen unstrittig auch die Kl zähle, einen erweiterten Kündigungsschutz genießen. Sie dürften nur mit Angabe eines Grundes gekündigt werden. Diese Gründe seien in § 22 Abs 2 KollV (taxativ) aufgezählt. Die Kündigung bedürfe zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Für die §§ 21 und 22 KollV sei das Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG 1948) vorbildhaft gewesen. Auch die Kündigungstatbestände in § 22 Abs 2 KollV entsprächen im Wesentlichen denen des § 32 Abs 1 VBG 1948. Gem § 32 Abs 1 VBG 1948 könne der DG ein Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen. Eine entgegen § 32 VBG 1948 ausgesprochene Kündigung sei rechtsunwirksam. Der Schutzzweck der Angabe des Kündigungsgrundes liege darin, dass Kündigungsgründe, die in einer schriftlichen Kündigung nicht enthalten seien, nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden könnten. Ohne Schriftlichkeitsgebot könne diesem Schutzzweck schon wegen dessen mangelnden Beweiswerts nicht ausreichend Rechnung getragen werden. Es treffe zwar zu, dass § 22 Abs 6 KollV nicht auf dessen Abs 1 verweise, die Regelung in § 22 Abs 1 KollV wäre aber ohne Sanktion sinnentleert. Damit sei die Kündigung der Kl mangels Angabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben rechtsunwirksam.

[6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Auslegung des § 22 Abs 1 KollV keine Rsp des OGH vorliege. [...] 309

[9] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[10] 1. Auf das Dienstverhältnis ist unstrittig der KollV für die AN der Universitäten (KollV) anzuwenden.

[11] Gem § 21 Abs 1 KollV kann ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis nach den folgenden Bestimmungen durch Kündigung aufgelöst werden. Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

[12] § 22 KollV lautet auszugsweise wie folgt:

„Abs 1: ArbeitnehmerInnen, die seit 20 Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, oder die das 45. Lebensjahr vollendet haben und seit 15 Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, oder die das 50. Lebensjahr vollendet haben und seit zehn Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, dürfen nur mit Angabe eines Grundes gekündigt werden. (...) Abs 2: Ein Grund, der die Universität zur Kündigung nach Abs 1 berechtigt liegt vor, wenn (...). Abs 5: Weigert sich der/die ArbeitnehmerIn, den Verpflichtungen nach Abs 4 nachzukommen, kann das Arbeitsverhältnis von der Universität nach § 21 gekündigt werden. Abs 6: Eine entgegen Abs 2 und Abs 5 ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam. (...)“

[13] 2. Der normative Teil eines KollV ist nicht nach §§ 914, 915 ABGB, sondern nach §§ 6, 7 ABGB auszulegen (RS0008807). In erster Linie ist bei der Auslegung der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Bei der Auslegung einer kollektivvertraglichen Norm darf den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RS0008897).

[14] 3. Ausgehend vom Wortlaut der relevanten Bestimmungen ergibt sich zunächst aus § 21 Abs 1 KollV, dass jede Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. § 22 Abs 1 KollV sieht zusätzlich für bestimmte AN, zu denen unstrittig auch die Kl zählt, einen erweiterten Kündigungsschutz vor. Diese dürfen nur „mit Angabe eines Grundes“ gekündigt werden. In der Folge werden in Abs 2 die Gründe, die zu einer Kündigung berechtigen, taxativ (vgl Pfeil in Pfeil/Grimm/Schöberl, Personalrecht der Universitäten2 § 22 KollV Rz 7) aufgezählt.

[15] Der KollV verlangt daher im Rahmen des erweiterten Kündigungsschutzes nicht nur das Vorliegen eines Kündigungsgrundes, sondern ausdrücklich auch, dass die Kündigung nur unter Angabe des Grundes erfolgen darf. Richtig ist zwar, dass § 22 Abs 1 KollV dafür nicht ausdrücklich die Schriftform vorsieht. Diese Bestimmung macht aber die Angabe des Kündigungsgrundes zum notwendigen Inhalt der Kündigung, die – wie ausgeführt – nach § 21 Abs 1 KollV in jedem Fall schriftlich zu erfolgen hat. Entgegen der Revision ist dabei nicht zwischen (schriftlicher) Kündigungserklärung und (formloser) Begründung zu unterscheiden, vielmehr hat die (in jedem Fall) schriftlich zu erfolgende Kündigung auch eine Begründung durch Angabe des Kündigungsgrundes zu enthalten.

[16] 4. Insoweit entspricht diese Regelung § 32 Abs 1 VBG 1948, der vorsieht, dass die Kündigung schriftlich und mit Angabe eines Grundes zu erfolgen hat. Dass sich im VBG 1948 beide Voraussetzungen in derselben Bestimmung finden, im KollV dagegen in unterschiedlichen Paragraphen, ergibt sich aus der Regelungssystematik, ändert aber nichts am identen Inhalt beider Normen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Bestimmung des KollV dem VBG 1948 nachgebildet wurde (so etwa: Pfeil in Pfeil/Grimm/Schöberl, Personalrecht der Universitäten2 § 22 KollV Rz 2; ders in Reissner/ Tinhofer, Das neue Universitätsarbeitsrecht, 172). Die im Wesentlichen übereinstimmende Regelung und der übereinstimmende Regelungszweck sprechen für eine gleichlautende Auslegung.

[17] 5. Daraus, dass der KollV ausdrücklich die Angabe des Kündigungsgrundes, nicht nur dessen Vorliegen, verlangt, lässt sich ableiten, dass es in den Fällen des erweiterten Kündigungsschutzes nicht nur darauf ankommt, dass ein Kündigungsgrund vorliegt, sondern der DG den von ihm herangezogenen Kündigungsgrund auch dem DN mit der Kündigung bekanntzugeben hat. Sinn einer solchen Regelung kann aber nur sein, dass der DG sich nicht nachträglich auf andere als die bekanntgegebenen Kündigungsgründe berufen kann. So hat der OGH bereits wiederholt zu verschiedenen Gesetzen, die die (schriftliche) Angabe des Kündigungsgrundes fordern, ausgesprochen, dass der dem Gekündigten dienende Schutzzweck der notwendigen Angabe des Kündigungsgrundes in der schriftlichen Kündigung ist, dass andere als in der schriftlichen Kündigung geltend gemachten Kündigungsgründe nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden dürfen (RS0082181; vgl auch RS0031367).

[18] 6. Richtig ist, dass nach der Rsp zum VBG 1948 durch die Formvorschrift des § 32 Abs 1 VBG 1948 („nur schriftlich mit Angabe des Grundes“) nicht Dritte geschützt werden, sondern lediglich der Gekündigte, der Klarheit darüber erhalten soll, welcher Sachverhalt als Kündigungsgrund in Wahrheit geltend gemacht wird. Die Formvorschrift steht daher einer nur am Empfängerhorizont orientierten Auslegung der Kündigung nicht entgegen (RS0053351). Ist zweifelhaft, welcher Kündigungsgrund vom DG in Wahrheit geltend gemacht wurde, dann ist die Auflösungserklärung so zu verstehen, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände bei objektiver Betrachtungsweise verstehen konnte (9 ObA 87/16h).

[19] Entgegen der Revision lässt sich daraus jedoch nicht die Gleichwertigkeit einer mündlichen Erklärung ableiten. Die Schriftform dient in der Regel nicht nur dem Übereilungsschutz, sondern auch der Beweissicherung (vgl 9 ObA 110/15i). Unabhängig von der Auslegung der Kündigungserklärung 310 soll damit auch ermöglicht werden, deren Inhalt objektiv belegbar zu machen.

[20] Hat daher eine Kündigung begründet und schriftlich zu erfolgen, entspricht es dem Zweck der Regelung, dass die Angabe des Kündigungsgrundes als Teil der Kündigungserklärung schriftlich zu erfolgen hat und so den vom DG herangezogenen Kündigungsgrund objektiv belegbar macht.

21] 7. Soweit sich die Revision zur Bestätigung ihrer Rechtsauffassung auf Pfeil (in Pfeil/Grimm/Schöberl, Personalrecht an Universitäten2 § 21 Rz 5) und Novak (in Universitätsrecht4 S 199) beruft, übergeht sie, dass sich diese Kommentierungen jeweils auf § 21 KollV beziehen, also auf die allgemeine Regelung der Kündigung, die anders als § 22 Abs 1 KollV keine Angabe eines Kündigungsgrundes verlangt.

[22] Richtig ist zwar, dass Pfeil (in Pfeil/Grimm/Schöberl, Personalrecht an Universitäten2 § 22 Rz 7) zur Angabe des Kündigungsgrundes nach § 22 Abs 1 KollV meint, „dessen Nichtnennung im Kündigungsschreiben bleibt aber wohl ohne Folgen“, diese Auffassung wird jedoch nicht näher begründet. Dagegen vertreten Löschnigg/Ogriseg/Ruß (Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zur Universität, zfhr 2014 1 [4]), das Wesen des erweiterten Kündigungsschutzes bestehe darin, dass die Kündigung nur mit Angabe eines Grundes und Vorliegen eines Kündigungsgrundes zulässig sei. Liege eine der beiden Voraussetzungen nicht vor, verfalle die Kündigung von vornherein der Rechtsunwirksamkeit (Nichtigkeit ex tunc).

[23] 8. Ist aber die Angabe des Kündigungsgrundes wie dargelegt Teil der notwendigerweise schriftlichen Kündigungserklärung, so ergibt sich bereits aus § 21 Abs 1 KollV, dass ein Verstoß gegen diese Formvorschrift zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Dass daher § 22 Abs 6 KollV, der inhaltliche und nicht formelle Mängel der Kündigung zum Gegenstand hat, nicht auf § 22 Abs 1 KollV Bezug nimmt, ist aufgrund der Systematik der Regelung konsequent, ist aber für die Unwirksamkeit einer gegen § 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 KollV verstoßenden Kündigung ohne Bedeutung.

[24] 9. Die schriftliche Kündigung der Kl enthielt keine Angabe eines Kündigungsgrundes. Mangels Einhaltung der kollektivvertraglichen Formvorschrift ist die Kündigung daher unwirksam. Auf mündliche Erklärungen anlässlich der Kündigung kommt es nicht an. Feststellungen dazu waren daher nicht zu treffen.

[25] 10. Davon ausgehend haben die Vorinstanzen der Klage zu Recht stattgegeben. Der Revision der Bekl war daher nicht Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG
1.
Auslegung von Kollektivverträgen

Vorliegend musste die Konstellation beurteilt werden, ob die Kündigung einer Universitätsangestellten formgültig ausgesprochen worden war oder nicht. Erst bei Bejahung dieser Frage wäre weiters zu klären gewesen, ob der Kündigungsgrund auch materiell vorgelegen hatte oder nicht.

Der Kollektivvertrag für die AN der Universitäten (KollV) weist eine etwas undeutliche Regelung auf: Die allgemeine Kündigung behandelt dessen § 21, den erhöhten Bestandschutz dagegen erst die Folgebestimmung, nämlich § 22. In dessen Abs 1 wird die Bindung der DG-Kündigung an das (positive) Vorliegen von Gründen geknüpft. Dabei fällt auf, dass sich die Regelung zwar an § 32 VBG orientiert, aber den Schutzschirm wesentlich zurückhaltender spannt. Statt als Voraussetzung wie § 32 VBG nur eine Dienstzeit von mehr als einem Jahr vorzusehen, sieht der KollV die 20-fache Dienstzeitdauer vor (1. Alternative) oder die 15-fache, verbunden mit einem Lebensalter von mehr als 45 (2. Variante) bzw die 10-fache, wenn bereits der 50. Geburtstag zurückgelegt worden ist (3. Konstellation). Während § 32 Abs 1 VBG mit Präzision anordnet: „Der Dienstgeber kann ein Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen.“, blieb der KollV wenig(er) deutlich: In § 22 Abs 6 ordnet(e) er an, dass eine „entgegen Abs 2 und Abs 5 ausgesprochene Kündigung (...) rechtsunwirksam“ ist. Dies erwies sich als insoweit etwas unpräzise, als die Bindung an den positiv vorliegenden Kündigungsgrund nicht in den bezogenen Absätzen (2 und 5) angeordnet wird, sondern bereits im Abs 1. Daher galt es nun, diese Undeutlichkeit der von den Kollektivvertragsparteien getroffenen Regelung einer praxistauglichen Auslegung zuzuführen.

Dabei verwies der OGH auf die etablierten Interpretationsgrundsätze betreffend Kollektivverträge: Zunächst betrifft dies die gesetzesgleiche Auslegung und nicht jene nach Vertragsrecht. Der normative Teil eines KollV wird nicht nach §§ 914, 915 ABGB, sondern nach §§ 6, 7 ABGB interpretiert (OGH 15.12.2021, 9 ObA 140/21k; OGH 30.8.2022, 8 ObA 59/22t; OGH 27.9.2022, 8 ObA 60/22i; OGH 15.2.2024, 8 ObA 86/23i; OGH 24.4.2024, 9 ObA 101/23b; RS0008807).

In erster Linie kommt es daher auf den Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – an und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien (OGH 24.4.2024, 9 ObA 101/23b; OGH 16.5.2024, 9 ObA 108/23g; OGH 22.3.2024, 8 ObA 9/23s; OGH 26.6.2024, 8 ObS 2/24p; RS0010089). Ein zwischen denselben Kollektivvertragsparteien abgeschlossener, inzwischen außer Kraft getretener KollV darf nur dann zur Auslegung der Parteienabsicht herangezogen werden, wenn die am Text des geltenden KollV orientierte Auslegung zu keinen eindeutigen Ergebnissen führt. Nur dies wird den an den normierten Teil des KollV zu stellenden Bestimmtheitserfordernissen gerecht und führt nicht zu dem mit dem Gebot der Rechtssicherheit unvereinbarten Ergebnis, dass der Kollektivvertragsinhalt von den Normadressaten nur mit archivalischem Fleiß ermittelt werden kann (RS0010089). Bei der Auslegung einer kollektivvertraglichen Norm darf den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen 311 und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (OGH 24.4.2024, 9 ObA 101/23b; OGH 16.5.2024, 9 ObA 108/23g; OGH 19.9.2024, 9 ObA 57/24h; OGH 19.9.2024, 9 ObA 5/24m; RS0008897).

Gestützt auf diese Interpretationsgrundsätze löste der OGH die Unklarheit im KollV dahingehend auf, dass er in der Anordnung in § 22 Abs 1 nicht bloß eine Bindung an das positive Vorliegen von Kündigungsgründen erblickte, sondern auch eine Formvorschrift. Dementsprechend bedurfte es auch nicht mehr der weiteren gerichtlichen Prüfung, ob die im Kündigungsschreiben nicht namentlich angezogenen, sondern erst im Verfahren behaupteten Gründe tatsächlich vorgelegen haben mögen oder nicht. Dieses Ergebnis erscheint einerseits zwar nicht das einzig denkmögliche, andererseits aber doch immerhin ein im Hinblick auf die bereits seit Jahrzehnten unverändert geltende Regelung des § 32 Abs 1 VBG nicht gänzlich unerwartetes. Die Kollektivvertragsparteien haben sich dieses Ergebnis, sollten sie es so nicht ohnedies beide intendiert haben, selbst zuzuschreiben, wäre es ihnen doch zwanglos möglich gewesen, die Regelung mit höherer Präzision vorzunehmen (vgl idS die Unklarheitenregel des ABGB in § 915 aE: in dubio contra proferentem).

2.
Maßstabsnorm des § 32 Abs 1 VBG

Wie vom Höchstgericht vorgeschlagen, gilt es, die für § 22 KollV herangezogene „Vorbildnorm“ des VBG des Bundes in den Blick zu nehmen: Nach § 32 Abs 1 VBG kann der DG ein Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen. Ähnlich sieht § 19 Gutsangestelltengesetz (GAngG) vor: „Kündigungen müssen bei sonstiger Unwirksamkeit schriftlich erklärt werden.“ Schriftformgebote für Kündigungen enthalten auch Kollektivverträge; diesfalls bedarf es ebenfalls strenger Auslegung (OGH 28.10.2015, 9 ObA 110/15i = wbl 2016/29: Foto des Kündigungsschreibens und Senden per WhatsApp nicht ausreichend). Die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung (EB zur RV 544 BlgNR 5. GP 19 rSp) enthalten die folgenden Erläuterungen zu §§ 30 bis 34 (Beendigung des Dienstverhältnisses): „Das Dienstverhältnis kann vom Dienstgeber während des ersten Jahres (bei Teilbeschäftigung während der ersten zwei Jahre) unter Einhaltung der vorgeschriebenen Frist ohne Angabe des Grundes gekündigt werden; auch Schriftlichkeit der Kündigung ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Nach Ablauf dieser Zeit kann die Kündigung nur schriftlich unter Angabe des Grundes erfolgen. Einige der häufigsten Kündigungsgründe sind im Abs 2 aufgezählt. Es ist nicht möglich, alle Umstände, die eine Kündigung notwendig machen können, im Voraus zu bedenken und aufzuzählen; es muss aber die Verwaltung die Möglichkeit haben, in solchen Fällen eine Kündigung auszusprechen. Der Entwurf enthält daher eine demonstrative Aufzählung der Kündigungsgründe.

§ 32 Abs 1 VBG spricht nur von Schriftlichkeit, nicht aber auch von Unterschriftlichlichkeit. Die fehlende Unterschriftlichkeit erschiene daher nach dem (reinen) Gesetzeswortlaut kein unbedingtes Formerfordernis darzustellen, die Rsp geht jedoch sehr wohl vom Formerfordernis der Unterschriftlichkeit aus (RS0123171; OGH 26.6.2014, 8 ObA 2/14y; erstmals zurückgehend auf OGH 3.3.2008, 9 ObA 14/08m = DRdA 2009/7 [Ziehensack]).

Zur Schriftlichkeit hinzu tritt noch das Erfordernis der Angabe des Grundes. Der erhöhte Bestandschutz im öffentlichen Dienst besteht vor allem in der erschwerten Beendigungsmöglichkeit auf Seiten des DG. Nur bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes und ordnungsgemäßer Anziehung desselben kann die Kündigung auch tatsächlich rechtswirksam erfolgen. Der Verpflichtung zur Angabe des Kündigungsgrundes wird schon dann entsprochen, wenn dem Kündigungsschreiben von den Gekündigten deutlich entnommen werden kann, welcher Grund bzw welche Gründe geltend gemacht wird/werden. Dies ist nach der Rsp etwa dann der Fall, wenn entweder einer der in § 32 Abs 2 VBG genannten Kündigungstatbestände angeführt oder ein Hinweis auf einen entsprechenden Sachverhalt in das Schreiben aufgenommen wird (OGH 12.8.1999, 8 ObA 61/99z = Arb 11.913). Sofern dieses Erfordernis gewahrt wird, schaden weder die Zitierung einer unrichtigen Gesetzesstelle noch Schreib- bzw Redaktionsfehler (OGH 12.8.1999, 8 ObA 61/99z = Arb 11.913, 31: „Das der Kl zugemittelte Kündigungsschreiben ist ausreichend begründet, führt es – wenngleich unter zumindest missverständlicher Nennung eines „VertragsbedienstetenG 1992“ – aus, dass die Reinigungsarbeiten einer Reinigungsfirma übertragen werden und dass durch diese Änderung der Organisation des Dienstes die Kündigung der Kl notwendig geworden sei. Darüber hinaus war die Beklagte nicht verhalten, Motive für ihren Schritt – etwa die erwartete Kostenersparnis – bekannt zu geben, obwohl sie dies im vorhergehenden Schreiben vom 03.07.1997 ohnedies getan hat.“; OGH 19.6.1991, 9 ObA 114/91 = Arb 10.949; Auch hinsichtlich der Kündigung gilt also der Grundsatz der „falsa demonstratio non nocet“, so ausdrücklich OGH 18.10.2006, 9 ObA 131/05p = DRdA 2008/3 [Ziehensack]).

Die Kündigungsgründe müssen in dem Kündigungsschreiben angeführt werden, da ein nachträgliches Unterschieben von anderen Kündigungsgründen nicht erfolgen darf (OGH 25.10.1955, 4 Ob 91/55 = Arb 6328; OGH 15.10.1957, 4 Ob 102/57 = Arb 6721; OGH 13.11.1962, 4 Ob 115/62 = EvBl 1963/149; OGH 15.9.1982, 1 Ob 693/82; OGH 17.6.1987, 9 ObA 6/87 = JBl 1988, 257 = Arb 10.637; OGH 2.9.1992, 9 ObA 192/92 (zu § 37 Abs 1 nö GdVBG); OGH 19.5.1993, 9 ObA 85/93 (zu § 37 Abs 1 Wr VBO); OGH 8.9.1993, 9 ObA 218/93; OGH 19.5.1994, 8 ObA 231/94; OGH 26.7.2016, 9 ObA 87/16h; RS0031367). Darin liegt auch der tiefere dogmatische Grund für den Umstand, dass es der Anführung des Kündigungsgrundes oder der -gründe bedarf. Müssen sie nämlich nicht angeführt werden, wäre nicht nachprüfbar, ob der DG nicht doch im Nachhinein noch zahlreiche Beendigungsgründe einfach nachlegen wollte. Erst das 312Erfordernis der Begründung bietet hier die (hinreichende) Überprüfungsmöglichkeit. Nicht im Kündigungsschreiben angeführte Beendigungsgründe stellen daher keinen (validen) Gegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wegen der Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses trotz der ausgesprochenen Kündigung und/oder Entlassung dar (OGH 13.11.1962, 4 Ob 115/62 = EvBl 1963/149; OGH 4.3.1980, 4 Ob 47/79; OGH 11.1.2001, 8 ObA 188/00f; OGH 29.11.2001, 8 ObA 130/01b = SZ 74/192; OGH 18.8.2010, 8 ObA 53/10t; OGH 29.1.2015, 9 ObA 158/14x; OGH 29.3.2016, 8 ObA 14/16s; OGH 26.7.2016, 9 ObA 87/16h; RS0082181). Sie können allenfalls noch zu Illustration des angezogenen Kündigungs- oder Entlassungsgrundes herangezogen werden, nicht aber zum Hauptthema des Verfahrens gemacht werden.

Die Anführung einzelner konkreter Umstände wird von der Rsp nicht gefordert (OGH 15.1.1980, 4 Ob 125/79 = DRdA 1980, 330). In der Praxis erweist es sich jedoch zweckmäßig, nicht nur die Kündigungstatbestände anzuführen, sondern auch die zu Grunde liegenden Sachverhalte anzugeben. Zum Problem siehe näher bei Ziehensack, VBG Praxiskommentar § 32 Rz 374 ff.

3.
Zwingendes Auslegungsergebnis?

Der undeutliche Kollektivvertragswortlaut könnte nahelegen, dass auch ein anderes Auslegungsergebnis in Frage gekommen wäre. Die Rechtsunwirksamkeitsanordnung in § 22 Abs 6 KollV bezieht sich nicht explizit auch auf die entgegen § 22 Abs 1 ausgesprochene Kündigung. Der Verweis mag auf Grund eines bloßen Redaktionsversehens zu eng formuliert worden sein. Nach dem Ansatz des OGH habe § 22 Abs 6 KollV die materielle Seite im Auge, nicht die formelle und sei deshalb in der nachzulesenden Form ausgeformt worden, ohne zusätzliche Bezugnahme auf Abs 1, der die formelle Seite betrifft. In der Literatur finden sich zwei, allerdings in unterschiedliche Richtungen gehende Lehrmeinungen: Pfeil (in Pfeil/Grimm/Schöberl [Hrsg], Personalrecht an Universitäten2 § 22 Rz 7) meinte entgegen dem Ansatz des Fachsenates 9 des OGH, zur Angabe des Kündigungsgrundes nach § 22 Abs 1 KollV, dass „dessen Nichtnennung im Kündigungsschreiben (...) aber wohl ohne Folgen“ bliebe. Das Höchstgericht verwarf diese Auffassung, zumal sich hierfür auch keine nähere Begründung fand und dagegen die andere Literaturstimme von Löschnigg/Ogriseg/Ruß (Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zur Universität, zfhr 2014 1 [4]) in Summe überzeugender erschien. Letztere Autoren präsentierten das System des erweiterten Kündigungsschutzes, welches eine Kündigung nur mit Angabe eines Grundes und Vorliegen eines Kündigungsgrundes zulässt und bei Fehlen auch nur eines der beiden Elemente die Rechtsunwirksamkeit iS einer Nichtigkeit ex tunc eintreten lässt. Dies griff der OGH auf und verwies auf die Vorbildregelung des § 32 Abs 1 VBG und den Hintergrund der Bestimmung, nämlich das Nachschussverbot des Kündigungsrechtes: Ein Nachtragen oder Sanieren einer eher kurzen bzw sogar oberflächlichen DG-Kündigung im Gerichtsverfahren (durch Erstattung von Vorbringen im vorbereitenden Schriftsatz) sollte nicht (mehr) möglich sein. Es entspricht nämlich der Rsp, dass Kündigungsgründe nicht nachgeschossen, also nicht mehr nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden können (OGH 19.6.1991, 9 ObA 114/91 = Arb 10.949); Ex-post-Umdeutung oder Nachschiebung eines anderen Kündigungsgrundes kommt nicht in Frage (OGH 19.5.1994, 8 ObA 231/94 = Arb 11.193 = RdW 1994, 359). Die Kündigungsgründe müssen in dem Kündigungsschreiben angeführt werden; ein nachträgliches Unterschieben von anderen Kündigungsgründen wird nicht zugelassen (vgl bereits OGH4 Ob 91/55 Arb 6328; OGH 2.9.1992, 9 ObA 192/92 zu § 37 Abs 1 nö GdVBG; OGH 19.5.1993, 9 ObA 85/93 zu § 37 Abs 1 Wr VBO; OGH 8.9.1993, 9 ObA 218/93; OGH 19.5.1994, 8 ObA 231/94; OGH 26.7.2016, 9 ObA 87/16h).

Ausgehend von diesem Nachschussverbot wäre es tatsächlich inkonsequent, wenn diese durch ein „freibleibendes“ Kündigungsschreiben umgangen werden könnten, das dann im Gerichtsverfahren mit anwaltlicher Unterstützung entsprechend so „aufgefettet“ wird, dass es vielleicht doch hält. Dies würde im Ergebnis bedeuten, dass der DG es in der Hand hätte, die Beendigung zu verfügen, ohne zunächst irgendwelche Gründe zu benennen, obwohl der KollV die Bindung an Gründe angeordnet hatte und damit ersichtlich den DN die Möglichkeit einräumen wollte, über die angezogenen Kündigungsgründe Bescheid zu wissen. Das andere Auslegungsergebnis wäre vor diesem Hintergrund wenig oder sogar überhaupt nicht waffengleich, würde es doch AN geradezu dazu zwingen, eine gerichtliche Bekämpfung vorzunehmen, nur um dadurch endlich an die verbindliche Mitteilung der angezogenen Kündigungsgründe zu kommen. Eine derartige Lesart mag vernünftigen Kollektivvertragsparteien wohl tatsächlich nicht zugesonnen werden (RS0008807), so dass dem höchstgerichtlichen Kalkül nur vollinhaltlich zugestimmt werden kann, zumal auch (angebliche) mündliche Kündigungsgrundbekanntgaben anlässlich der Beendigung keine hinreichend zuverlässige/ verlässliche Quelle darstellten. 313