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Anfechtung unterbricht Präklusivfrist nach § 34 AngG

LUDWIG DVOŘÁK (WIEN)
  1. Das gehörig geführte Anfechtungsverfahren nach § 106 ArbVG unterbricht auch im Fall des Unterliegens die gesetzlichen Präklusivfristen für die Beendigungsansprüche.

  2. Mit der Beendigung des Anfechtungsverfahrens steht daher die volle sechsmonatige Frist des § 34 AngG für die gerichtliche Geltendmachung der Kündigungsentschädigung zur Verfügung.

  3. Tatbestände, die für eine Entlassung unzureichend waren, können auch ein Mitverschulden des AN an seiner Entlassung nicht begründen.

[1] Der beim bekl Kreditinstitut seit 1.9.2008 in der zweiten Hierarchieebene als „Head of Strategy“ beschäftigt gewesene Kl wurde am 30.3.2020 entlassen.

[2] Mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 10.9.2021 wurde das wegen eines verpönten Motivs erhobene Entlassungsanfechtungsbegehren des Kl abgewiesen. Das bestätigende Urteil des OLG Wien vom 26.4.2022 (8 Ra 18/22h) wurde der Klagevertretung am 11.5.2022 mittels elektronischer Übermittlung bereitgestellt. Dieses vertrat die Rechtsauffassung, dass der Kl zwar keinen Entlassungsgrund gesetzt habe, aber ein verpöntes Beendigungsmotiv nicht nachweisen habe können.

[3] Am 7.10.2022 brachte der Kl die gegenständliche Klage mit mehreren Zahlungs-, Leistungs- und Feststellungsbegehren ein.

[4] Mit Teil-Zwischenurteil erkannte das Erstgericht die Bekl schuldig, dem Kl an Kündigungsentschädigung für die ersten drei Monate 180.000,16 € brutto (Spruchpunkt 1.) sowie an Urlaubsersatzleist ung unter Berücksichtigung der fiktiven Kündigungszeit 152.427,40 € [gemeint erkennbar: brutto] (Spruchpunkt 3.), jeweils zuzüglich 8,58 % Zinsen zu zahlen. Weiters sprach es aus, dass das Begehren, die Bekl sei schuldig, dem Kl an Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 30.6.2020 bis 31.12.2021 1.067.149,11 € zu zahlen, dem Grunde nach zu Recht bestehe (Spruchpunkt 2.). Die Entlassung des Kl sei unberechtigt erfolgt, die entlassungsabhängigen Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und Ersatzleistung bestünden daher zu Recht.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

[...] [7] 1.1. Gem § 34 Abs 1 AngG müssen Ersatzansprüche ua wegen vorzeitiger Entlassung iSd § 29 AngG, bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden. Nach Abs 2 leg cit beginnt die Frist mit dem Ablauf des Tages, an dem die Entlassung stattfand.

[8] 1.2. Nach ständiger Judikatur des OGH ist § 1497 ABGB auf die Ausschlussfristen des Arbeitsrechts und damit auch auf § 34 AngG analog anzuwenden (9 ObA 53/19p Pkt 2.; RS0029716 [T7, T9]).

[9] 1.3. Es entspricht auch der herrschenden Rsp, dass eine Anfechtungsklage nach §§ 105 f ArbVG die Verjährungsfrist sowie die Ausschluss- bzw Verfallsfrist für die aus dem Arbeitsverhältnis abgeleiteten Ansprüche einschließlich der Beendigungsansprüche unterbricht. Diese Unterbrechungswirkung iSd § 1497 ABGB dauert bis zum Abschluss des Anfechtungsprozesses an und gilt auch für den Fall der Klagsabweisung und für eine Klagszurückziehung, zumal durch diese die Unterbrechungswirkung lediglich verkürzt wird (8 ObA 21/12i Pkt 3.2. = RS0127993; 8 ObA 21/15v Pkt 3.; 8 ObA 121/20g Rz 1; RS0029716 [T14]).

[10] 1.4. Die Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB vernichtet die Wirkung des bisherigen Zeitablaufs zur Gänze; die Verjährung beginnt nach Wegfall des Unterbrechungstatbestands neu zu laufen (8 Ob 50/16k Pkt 3.; Dehn in KBB7 § 1497 ABGB Rz 1; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1497 ABGB Rz 1, 94). Nach Abschluss des Anfechtungsprozesses, also nach rechtskräftiger Abweisung der Entlassungsanfechtungsklage, beginnt daher die sechsmonatige Verfallsfrist infolge der Unterbrechungswirkung neu zu laufen (Haider in Reissner, Angestelltengesetz4 § 34 Rz 17; Pfalz in Kozak, ABGB und Arbeitsrecht, § 1497 Rz 2).

[10] 1.4. Die Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB vernichtet die Wirkung des bisherigen Zeitablaufs zur Gänze; die Verjährung beginnt nach Wegfall des Unterbrechungstatbestands neu zu laufen (8 Ob 50/16k Pkt 3.; Dehn in KBB7 § 1497 ABGB Rz 1; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1497 ABGB Rz 1, 94). Nach Abschluss des Anfechtungsprozesses, also nach rechtskräftiger Abweisung der Entlassungsanfechtungsklage, beginnt daher die sechsmonatige Verfallsfrist infolge der Unterbrechungswirkung neu zu laufen (Haider in Reissner, Angestelltengesetz4 § 34 Rz 17; Pfalz in Kozak, ABGB und Arbeitsrecht, § 1497 Rz 2).

[11] 1.5. Auch aus der in der außerordentlichen Revision zitierten Lehrmeinung von R. Madl (in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1497 Rz 39), die im Übrigen von der Revisionswerberin verkürzt und außerhalb des notwendigen Kontextes wiedergegeben wird, ergibt sich nichts Gegenteiliges. R. Madl befasst sich in dieser Rz 39 mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Unterbrechungswirkung des § 1497 ABGB im Fall der Klagsführung eintritt. Er spricht sich dafür aus, dass die Unterbrechungswirkung erst durch das rechtskräftige Urteil ausgelöst werde. Während des laufenden Prozesses – 333 bevor also ein rechtskräftiges Urteil ergangen sei – werde hingegen nur der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt, solange die Klage gehörig fortgesetzt werde, sodass die Unterbrechung durch Klagsführung wie eine Ablaufshemmung wirke. Auch R. Madl unterstellt der Unterbrechung nach § 1497 ABGB demnach nicht die Rechtswirkung einer Hemmung (vgl dazu R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1497 Rz 5). Die „Ablaufhemmung“, auf die sich die Revisionswerberin beruft, wird von ihm in Rz 39 lediglich zur dogmatischen Begründung der Wirkung des § 1497 ABGB während des noch laufenden (die letztliche Unterbrechung bewirkenden) Verfahrens herangezogen.

[12] 1.6. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die mit Klage vom 7.10.2022 geltend gemachten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung sind nicht verfallen, ist daher im Ergebnis zutreffend. Auf die Frage, inwieweit das fünfmonatige Zuwarten des Kl zur Einbringung der Leistungsklage nach rechtskräftiger Beendigung des Anfechtungsverfahrens als „gehörige Fortsetzung“ zu sehen ist, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Darauf, dass der Kl das Anfechtungsverfahren nicht gehörig fortgesetzt hätte (vgl dazu 8 ObA 121/20g Rz 2), beruft sich die Revisionswerberin nicht.

[...]

[15] 2.3. Die angefochtene Entscheidung, wonach das an die Bekl gerichtete Aufforderungsschreiben des Kl mit dem Hinweis „Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, behalten wir uns weitere Schritte in enger Abstimmung mit der Finanzmarktaufsicht zur Vorbereitung einer gerichtlichen Durchsetzung vor.“ aus Sicht eines redlichen und objektiven Erklärungsempfängers nicht als Drohung mit dem Involvieren der Aufsichtsbehörde und schon gar nicht als versuchte Erpressung zu verstehen gewesen sei, bewegt sich im Rahmen der Grundsätze der Rsp zur Auslegung von Willenserklärungen. Die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen der Entlassungsgründe der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 letzter Fall AngG oder der beharrlichen Verletzung der dienstvertraglichen Pflichten nach § 27 Z 4 zweiter Fall AngG liegen daher nicht vor.

[16] [...] Nach stRsp kann die Mitverschuldensregel bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung demnach aber nur dort greifen, wo der Erklärungsempfänger ein Verhalten gesetzt hat, das zusätzlich bzw unabhängig von dem für die vorzeitige Auflösung nicht ausreichenden Verhalten für die Auflösung kausal iSd Verursachung eines Informationsmangels des die Auflösung unberechtigt Erklärenden war; Tatbestände, die sich nicht als taugliche Auflösungsgründe erwiesen haben, müssen daher für die Beurteilung eines allfälligen Mitverschuldens außer Betracht bleiben (RS0124568; 8 ObA 13/24f Rz 1 mwN). § 32 AngG dient nicht dazu, im Falle einer ungerechtfertigten Entlassung, für die die geltend gemachten Gründe nicht ausreichen, die den AG wegen der ungerechtfertigten Entlassung treffenden Rechtsfolgen zu mildern (RS0028230 [T4, T5]).

[17] 3.2. Das Vorliegen eines Mitverschuldens kann typischerweise nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, sodass regelmäßig keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt, es sei denn, den Vorinstanzen wäre eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen (8 ObA 13/24f Rz 2; RS0028217 [T5]). Eine solche zeigt die Revisionswerberin nicht auf, legt sie doch weder mit dem Vorwurf, der Kl habe eine „unklare“ Formulierung verwendet, noch mit dem weiteren Vorwurf, er hebe eine „mehrdeutige“ Formulierung auf einen vom unzureichenden Entlassungsgrund unabhängigen Aspekt des Verhaltens des Kl dar.

[...]

[19] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Bekl zurückzuweisen.

ANMERKUNG

Im vorliegenden Fall hatte der AN im Vorprozess erfolglos seine Entlassung angefochten. Zwar hatte das OLG Wien mit am 11.5.2022 zugestelltem Urteil die Entlassung als unbegründet beurteilt, mangels verpönten Motivs die Klage jedoch abgewiesen. Der AN erhob mit 7.10.2022 eine Leistungsklage zur Geltendmachung seiner Beendigungsansprüche. Dagegen wandte der AG die Verfristung des Anspruchs ein: Mit dem mehrmonatigen Zuwarten bis zur Erhebung der Leistungsklage habe der AN seine sich aus § 1497 ABGB ergebende Verpflichtung zur gehörigen Verfahrensführung verletzt, außerdem treffe ihn ein Mitverschulden an der Entlassung. Mit der vorliegenden Revisionszurückweisung bestätigt der OGH seine bisherige Judikaturlinie zur Unterbrechungswirkung einer (letztlich erfolglosen) Anfechtungsklage auch für die zur Geltendmachung von Beendigungsansprüchen geltenden Präklusivfristen (OGH 14.9.1994, 9 ObA 102/94; OGH 30.5.2012, 8 ObA 21/12i). Gleichzeitig beseitigt er jeden Zweifel über die Wirkung der analogen Anwendung des § 1497 ABGB auf den Fristenlauf des § 34 AngG. Zum besseren Verständnis der Entscheidung wird eingangs die Entwicklung des Meinungsstands in Rsp und Literatur zur Wirkung des § 1497 ABGB im Arbeitsrecht kurz dargestellt.

1.
Die Unterbrechungswirkung des § 1497 ABGB
1.1.
Die Funktion von § 1497 ABGB

Der Zweck des § 1497 ABGB wird in Rsp (OGH 11.9.1986, 7 Ob 31/86) und Literatur einerseits darin gesehen, den Verjährungsbestimmungen 334 Nachdruck zu verleihen und Beweisschwierigkeiten vorzubeugen (Madl in Kletečka/Schauer [Hrsg], ABGB-ON1.07 § 1497 Rz 4; M. Bydlinski/Thunhart in Rummel/Lukas/Geroldinger [Hrsg], ABGB4 § 1497 Rz 57). Die Unterbrechung der Verjährung bei rechtzeitiger Klagserhebung und gehöriger Führung des Verfahrens zwingt zur zeitnahen Klärung strittiger Ansprüche. Steht das Bestehen einer Forderung durch Anerkenntnis oder erfolgreiche Klagsführung fest, besteht andererseits kein Grund mehr für das rasche Eingreifen der Verjährung (Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], Klang3 § 1497 ABGB Rz 5). Die Unterbrechung bewirkt daher im Umfang des Obsiegens den Neubeginn der gesetzlichen Verjährungsfrist (Janisch/Kietaibl in Schwimann/Kodek [Hrsg], ABGB Praxiskommentar4.01 § 1497 ABGB Rz 1).

1.2.
Die analoge Anwendung auf arbeitsrechtliche Präklusivfristen

In der vorliegenden E verweist der OGH zunächst auf seine nunmehr stRsp, dass die Bestimmung des § 1497 ABGB analog auch auf (arbeitsrechtliche) Ausschlussfristen anzuwenden sei (RIS-Justiz RS0029716). Die ältere Rsp war noch davon ausgegangen, dass bei rechtzeitiger Klagserhebung die Präklusivfrist unabhängig von der gehörigen Führung des Verfahrens gewahrt werde, weil § 1497 ABGB auf sie nicht anzuwenden sei (kk OGH 17.10.1906, Nr 15.494, GlUNF 3.551). Erst in der 2. Republik ging der OGH schrittweise dazu über, auch bestimmte gesetzliche Ausschlussfristen des Zivil- und Arbeitsrechts der analogen Anwendung des § 1497 ABGB zu unterwerfen. Damit wurde die gehörige Fortsetzung eines Verfahrens zur Voraussetzung für die Wahrung der Präklusivfrist nach § 34 AngG bei Geltendmachung einer Kündigungsentschädigung (OGH 7.9.1976, 4 Ob 95/76).

1.3.
Die besondere Rolle der Anfechtungsklage nach § 106 ArbVG

Auch wenn § 1497 ABGB für die Unterbrechung grundsätzlich voraussetzt, dass die Klage erfolgreich ist, hat die Rsp davon im Arbeitsrecht bedeutende Abweichungen entwickelt: Bekämpft ein AN seine Entlassung mittels Anfechtung nach §§ 106, 105 ArbVG, erstreckt der OGH die Unterbrechungswirkung dieser Klage in analoger Anwendung des § 1497 ABGB auch auf die gesetzliche Präklusivfrist für die Beendigungsansprüche (Pfalz in Kozak [Hrsg], ABGB und Arbeitsrecht § 1497 ABGB Rz 19). Der AN soll nicht gezwungen sein, zeitgleich die einander ausschließende Rechtsunwirksamkeit der Entlassung und die aus einer rechtswirksamen Entlassung resultierenden Beendigungsansprüche gerichtlich einzuklagen. Um das zu vermeiden, brauche es die Unterbrechungswirkung gerade dann, wenn die Anfechtungsklage trotz ungerechtfertigter Entlassung wegen mangelhaften Vorbringens zur Sozialwidrigkeit abgewiesen (OGH 14.9.1994, 9 ObA 102/94) oder vom AN zurückgezogen (OGH8 ObA 21/12i ARD 6293/4/2013 = DRdA 2013, 62 = ecolex 2012, 915) wird, zumal sich im letzteren Fall die Unterbrechung nur verkürze. Die vom OGH entwickelte analoge Anwendung des § 1497 ABGB auf die Unterbrechung der Beendigungsansprüche durch die Anfechtungsklage hat also eine doppelte Bedeutung: Während auf der einen Seite dem AN erspart wird, im gleichen Prozess gegensätzliche Prozessbehauptungen aufzustellen, muss das Anfechtungsverfahren andererseits iSd Rsp zu § 1497 ABGB gehörig geführt werden, um die Unterbrechungswirkung für die Beendigungsansprüche zu erhalten (OGH25.3.2021, 8 ObA 121/20g).

1.4..
Hemmungswirkung oder Unterbrechung?

Der OGH verwirft in der vorliegenden E die in der Revision vorgebrachte Argumentation des AG, der die Unterbrechungswirkung in eine Hemmung umzudeuten versuchte. Dabei bezog sich dieser unter Berufung auf Madl auf divergierende Lehrmeinungen darüber, wann und wie die zivilrechtliche Unterbrechungswirkung des § 1497 ABGB eintrete: Madl (in Kletečka/Schauer [Hrsg], ABGB-ON1.07 § 1497 Rz 39) und Dehn (in Bydlinski/Perner/Spitzer [Hrsg], Kommentar zum ABGB7 § 1497 ABGB Rz 5) gehen davon aus, dass die Klagserhebung zunächst nur eine Ablaufhemmung bewirke und erst mit erfolgreichem Verfahrensabschluss die Unterbrechung wirksam werde. M. Bydlinski/Thunhart sehen die Unterbrechung hingegen bereits mit der Klagsführung bewirkt (M. Bydlinski/Thunhart in Rummel/Lukas/Geroldinger [Hrsg], ABGB4 § 1497 Rz 19), die aber auch wieder wegfallen könne, wenn das Verfahren nicht gehörig geführt bzw verloren werde. Vollmaier argumentiert, dass mit Klagserhebung zumindest die fristvernichtende Wirkung der Unterbrechung einsetze, wenn auch bedingt durch gehörige Fortsetzung und Prozesserfolg (Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], Klang3 § 1497 ABGB Rz 94). Dem OGH ist beizupflichten, dass aus den von der Bekl offenbar zitierten Ausführungen Madls nicht abzuleiten wäre, dass für die Unterbrechung von Präklusivfristen für Beendigungsansprüche nur eine Ablaufhemmung bestünde. Ohne nähere Begründung vertritt Madl jedoch tatsächlich an anderer Stelle die Auffassung, dass die bisherige OGH-Rsp zur Unterbrechungswirkung der Anfechtungsklage so gedeutet werden sollte (Madl in Kletečka/Schauer [Hrsg], ABGB-ON1.07 § 1497 Rz 21). Auch Pfalz erscheint unklar, welche Frist nach der Unterbrechung neu zu laufen beginnen solle, da die 30-jährige Verjährung einer Judikatsschuld mangels Prozesserfolgs nicht in Frage komme. Auch er tritt dafür ein, dass die vom OGH als Unterbrechung bezeichnete Wirkung als Hemmung aufgefasst werden sollte. Er räumt aber immerhin ein, dass die vom OGH bisher verwendete „wenig präzise“ Formulierung so verstanden werden könnte, dass die für die Beendigungsansprüche geltenden Verfalls- und Verjährungsfristen in dem Zeitpunkt erneut zu laufen beginnen sollen, in dem das abweisende Anfechtungsurteil rechtskräftig wird (Pfalz in Kozak [Hrsg], ABGB und Arbeitsrecht § 1497 ABGB Rz 20). 335 Diese Auslegung der bisherigen OGH-Rsp zur Unterbrechungswirkung erscheint allerdings wenig überzeugend. Hätte der OGH den Fristenlauf für die Beendigungsansprüche bei Erhebung der Anfechtungsklage nicht unterbrechen, sondern hemmen wollen, so wäre es wohl naheliegender gewesen, nicht von einer „Unterbrechung iSd § 1497 ABGB“, sondern von einer „Hemmung iSd §§ 1494 bis 1496 ABGB“ zu sprechen. Der OGH verwendet aber schon in der bisherigen Rsp sehr bewusst den Begriff der Unterbrechung, deren Wirkung bis zum Abschluss des Anfechtungsprozesses andauere. Abweichend vom sonstigen Konzept des § 1497 ABGB ist der Prozesserfolg eben kein Erfordernis für die Unterbrechungswirkung der Anfechtung für Beendigungsansprüche. Für die Unterbrechung genügt vielmehr die fristgerechte Klagserhebung und die gehörige Führung des Anfechtungsprozesses. Dabei ergibt sich mE schon aus der bisherigen Judikatur keine Unklarheit über die anzuwendende Frist nach Wegfall der Unterbrechungswirkung: Mit rechtskräftiger Abweisung des Anfechtungsbegehrens beginnt die sechsmonatige Präklusivfrist des § 34 AngG neu zu laufen (Haider in Reissner [Hrsg], AngG4 § 34 Rz 17).

Die vorliegende E sollte jedenfalls alle Zweifel zur Auslegung der bisherigen Rsp ausräumen: Der OGH stellt klar, dass die dogmatischen Fragen über den Zeitpunkt des Eintritts der Unterbrechung für die hier zu lösende Rechtsfrage ohne Bedeutung sind: Durch die gehörige Führung des Anfechtungsverfahrens sei die Unterbrechung iSd § 1497 ABGB bewirkt worden. Die Unterbrechung habe die Wirkung des bisherigen Zeitablaufs zur Gänze vernichtet, die Präklusivfrist habe mit Beendigung des Anfechtungsprozesses neu zu laufen begonnen, ohne dass es darauf ankomme, ob die Erhebung der Leistungsklage nach fünf Monaten als gehörige Führung des Verfahrens zu deuten ist. Auch dieser klarstellenden E ist mE voll zuzustimmen. Der OGH begründet die analoge Anwendung der Unterbrechungswirkung der Anfechtungsklage für Beendigungsansprüche ja überzeugend damit, dass der anfechtende AN nicht gezwungen sein soll, gleichzeitig einander ausschließende Ansprüche zu verfolgen (OGH 14.9.1994, 9 ObA 102/94). Würde aber nur eine Ablaufhemmung und keine Unterbrechungswirkung zugestanden, so würde dies bei komplizierteren Prämienvereinbarungen wie in diesem Fall darauf hinauslaufen, dass Vorbereitungen für den Leistungsprozess schon während des laufenden Anfechtungsverfahrens getroffen werden müssten, um einer Präklusion vorzubeugen. Es erscheint zur Erreichung des vom OGH verfolgten Ziels und iSd Rechtssicherheit wesentlich naheliegender, von der Unterbrechung der Präklusivfristen auszugehen, ohne subtile Einzelfallerwägungen darüber anzustellen, ob die Erhebung der Leistungsklage in „angemessener Frist“ erfolgt ist. Ungebührliche Verzögerungen sind schon deshalb nicht zu erwarten, weil die analoge Anwendung des § 1497 ABGB ja zur gehörigen Führung des Anfechtungsverfahrens – auf deren Unbestrittenheit der OGH in der E berechtigt hinweist – zwingt. Die Präklusivfrist des § 34 AngG stellt zudem ohnehin eine erhebliche Verkürzung gegenüber der sonst geltenden dreijährigen Verjährungsfrist dar (Kuras in Marhold/Burgstaller/Preyer [Hrsg], AngG § 34 Rz 1).

2.
Praktische Bedeutung der Entscheidung
2.1.
Unterbrechungswirkung bei Anfechtung

Mit der vorliegenden E fasst der OGH seine bisherige Rsp zu diesem Themenbereich also nochmals bestätigend zusammen: Die Anfechtungsklage nach § 105f ArbVG unterbricht Präklusivfristen für Beendigungsansprüche. Für diese beginnt nach Rechtskraft eines abweisenden Urteils die Frist neu zu laufen. Eine innerhalb dieser Frist erhobene Klage ist damit jedenfalls rechtzeitig und besteht aufgrund dieser neuerlich bekräftigten Rsp mE auch keine Unsicherheit (idS Haider in Reissner [Hrsg], AngG4 § 34 Rz 17) mehr in Bezug auf Anfechtungsverfahren nach ArbVG. Die zulässige Erhebung eines Eventualbegehrens auf Kündigungsentschädigung im Anfechtungsverfahren hat zwar den Vorteil, dass der Zuspruch tatsächlich bereits im ersten Verfahren erfolgen könnte (Gahleitner, ArbVR III6 § 106 Rz 18), gleichzeitig wäre für das Eventualbegehren aber eine Pauschalgebühr zu entrichten (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 2.17), die im – zweifellos außergewöhnlichen – Anlassfall über € 40.000,– betragen hätte.

2.2.
Keine Anwendbarkeit bei Feststellungsklagen?

Im Unterschied zu Anfechtungsklagen ist nach der stRsp die Unterbrechungswirkung von Klagen zur Feststellung eines Rechtsverhältnisses auf die daraus abgeleiteten Ansprüche beschränkt (RIS-Justiz RS0118906), soweit sie nicht zum Zeitpunkt der Klage bereits fällig waren (RIS-Justiz RS0034286). Anders als bei Anfechtungsklagen ist daher bei Klagen auf Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses, zB nach unzulässigen Beendigungen von besonders kündigungsgeschützten Personen, ein Eventualbegehren auf Zahlung offener Beendigungsansprüche zu erheben, um Präklusivfristen zu wahren (OGH 8 ObA 105/03d RdW 2004, 560 = DRdA 2004, 466). Diese Unterscheidung zwischen Anfechtungsklagen und Feststellungsklagen auf Bestehen eines aufrechten Arbeitsverhältnisses wird in der Lehre mE berechtigt als widersprüchlich kritisiert (Eypeltauer, Fristunterbrechung für Beendigungsansprüche beim Entlassungsschutz, ecolex 2016, 712 [713]); Trost/Mathy in Jabornegg/Resch/Kammler [Hrsg], ArbVG § 106 Rz 57). Das in der Lehre gegen die Unterbrechungswirkung von Feststellungsklagen ins Treffen geführte Argument, dass aus der Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses noch keine Klarheit über die begehrte Leistung bestünde (Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], Klang3 § 1497 ABGB Rz 97 unter Hinweis auf Ertl, Die Verjährung künftiger Schadenersatzansprüche, ZVR 1993, 39) wäre auch auf zukünftige Ansprüche anzuwenden. Das zentrale Argument des OGH zur Unterbrechungswirkung 336 der Anfechtungsklage, dass der AN nicht gezwungen sein sollte, einander ausschließende Ansprüche gleichzeitig zu verfolgen, träfe jedenfalls auch auf die Feststellungsklage zu. Die vorliegende E liefert jedoch keinerlei Gelegenheit, diesen Widerspruch aufzulösen oder auch nur näher zu erörtern.

2.3.
Mitverschuldenseinwand

Die vorliegende E bietet dem OGH auch Gelegenheit, seine stRsp zum Mitverschuldenseinwand zu bestätigen: Tatbestände, die sich nicht als taugliche Auflösungsgründe erwiesen haben, müssen für die Beurteilung eines allfälligen Mitverschuldens außer Betracht bleiben (RIS-Justiz RS0124568). Im konkreten Fall hatte der Hinweis des AN auf die von ihm in Erwägung gezogene Einbeziehung der Finanzmarktaufsicht zur Klärung umstrittener prämienbezogener Entgeltbestandteile nach der rechtlichen Beurteilung keinen Entlassungsgrund dargestellt und könne daher auch nicht als Mitverschulden des AN gewertet werden.

3.
Zusammenfassung

Mit der vorliegenden Revisionszurückweisung schafft der OGH Klarheit über die in der Lehre durchaus kontroversiell diskutierte Frage, ob die Anfechtung nach § 105f ArbVG den Lauf der Präklusiv- und Verjährungsfristen für Beendigungsansprüche nur hemmt oder tatsächlich unterbricht (wie es bereits die bisherige Rsp klar benannt hatte). Der OGH lässt mE keine Zweifel offen, dass tatsächlich eine Unterbrechung vorliegt und der Lauf der Präklusiv- und Verjährungsfristen mit rechtskräftiger Beendigung des Anfechtungsverfahrens neu zu laufen beginnt. Keine Auswirkung hat diese E zur Unterbrechungswirkung der Anfechtungsklage für Beendigungsansprüche naturgemäß auf die dazu in einem gewissen Widerspruch stehende OGH-Rsp, dass die Klage zur Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses keine Unterbrechung der Beendigungsansprüche bewirke.