Auer-Mayer/BaringerStandortfaktor Arbeitsrecht – Österreichische und deutsche Arbeitsrechtsnormen im Rechtsvergleich – Handbuch

Manz Verlag, Wien 2024, XXXVIII, 238 Seiten, gebunden, € 64,–

STEFAN WALLMANN (SALZBURG)

Bei der Wahl des richtigen Standortes spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Diese sogenannten Standortfaktoren reichen von der Höhe der Lohnnebenkosten, über die Situation am Arbeitsmarkt bis zur Höhe der Mietkosten des Betriebsgebäudes. Diese und noch viele weitere Aspekte entscheiden letztendlich, ob der Standort für das Unternehmen geeignet ist oder nicht. Zunehmend stellt sich, sowohl in Österreich als auch in Deutschland, die Frage, ob und inwiefern auch das Arbeitsrecht die Attraktivität eines Standortes beeinflusst. Vor allem Unternehmer:innen sprechen immer wieder von einer „Überregulierung“ und von einem zu großen Bürokratieaufwand für Unternehmen. Susanne Auer-Mayer und Larissa Baringer gehen in ihrem neuen Handbuch „Standortfaktor Arbeitsrecht“ der Frage nach, wie streng die österreichischen arbeitsrechtlichen Bestimmungen tatsächlich sind und analysieren deren Auswirkungen auf die Standortattraktivität. Dabei werden die relevantesten Aspekte ausgewählt und mit der deutschen Rechtslage verglichen.

Im ersten Kapitel (S 1 ff) finden sich neben der Zielsetzung, die inhaltliche Schwerpunktsetzung und die methodische Vorgehensweise. Jeder Themenbereich (Kapitel 2-8) verfolgt denselben Aufbau. Zuerst wird die österreichische und deutsche Rechtslage dargestellt und anschließend werden deren Auswirkungen auf die Standortattraktivität – im Unterkapitel Zwischenbilanz – beleuchtet.

Im ersten inhaltlichen Kapitel (S 5 ff) werden die rechtlichen Bestimmungen zur Kollektivvertragsunterworfenheit dargestellt. In Österreich unterliegen 98 % der AN einem KollV. Damit liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld (Müller/Schulten, The road to 80 % collective bargaining coverage, https://www.etui. org/publications/road-80-collective-bargaining-coverage [zuletzt abgerufen am 1.4.2025]). Die Autorinnen stellen fest, dass diese hohe Kollektivvertragsunterworfenheit natürlich Vorteile mit sich bringt, weil dadurch einheitliche Mindeststandards geschaffen werden und zugleich ein fairer Wettbewerb hergestellt wird (Kartellfunktion). Zugleich wird behauptet, dass sich die fehlende Möglichkeit, eigene Firmen-Kollektivverträge abschließen zu können, negativ auf die Standortattraktivität Österreichs auswirkt. Schließlich könnte so auf unternehmensinterne Bedürfnisse besser Acht genommen werden. Nach Ansicht des Rezensenten wird diesen Bedürfnissen mit der Möglichkeit, Betriebsvereinbarungen abzuschließen, ausreichend Rechnung getragen. Der AG ist zwar hinsichtlich des Inhalts auf die in §§ 96 ff ArbVG vorgesehenen Regelungsinhalte beschränkt, allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Kollektivvertragsparteien im KollV die Regelungskompetenz eines Aspekts an die Betriebsvereinbarungsparteien (Betriebsinhaber und BR) delegieren (§ 29 ArbVG). Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Regelung von Arbeitsbedingungen auf überbetrieblicher Ebene aus sozialpolitischer Sicht enorm wichtig ist (Mosler/Felten in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht II6 § 2 ArbVG Rz 1 [Stand 1.1.2020, rdb. at]). AN werden durch überbetriebliche Kollektivverträge geschützt und unterliegen branchenweit geltenden einheitlichen Mindeststandards. Dies sorgt für Wohlstand, Sicherheit und Gerechtigkeit.

Im 3. Kapitel (S 15 ff) wird ein bereits lang diskutiertes Thema angesprochen, nämlich die Unterscheidung zwischen Arbeiter:innen und Angestellten. Zwar gab es in Österreich im Jahr 2021 – durch die Änderung des § 1159 ABGB – eine Angleichung der Kündigungsfristen, nichtsdestotrotz sind die Unterschiede zwischen den beiden AN-Gruppen teilweise immer noch gravierend, denkt man an die unterschiedlichen Entlassungsgründe. Aus gleichheitsrechtlicher Sicht (Art 7 B-VG, Art 2 StGG) ist diese Unterscheidung wohl kaum sachlich rechtfertigbar (Drs in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 1 AngG Rz 8 [Stand 1.1.2018, rdb.at]). Völlig zurecht weisen Auer-Mayer/Baringer auf die dadurch einhergehende Verkomplizierung der Rechtslage hin.

Einige aktuelle praxisrelevante Aspekte des Arbeitszeitrechts werden im ausführlichsten 4. Kapitel (S 27 ff) erörtert. Es werden die Unterschiede zwischen dem österreichischen und deutschen Arbeitszeitrecht in detaillierter Art und Weise dargestellt. Besonders hervorzuheben ist die Praxisnähe dieses Kapitels, da immer wieder auf die spezifischen Regelungen in Kollektivverträgen hingewiesen wird.

Ein weiteres – stark von jüngerer EuGH-Rsp geprägtes – Themengebiet ist die Arbeitskräfteüberlassung/ Leiharbeit, deren relevante Aspekte hinsichtlich Standortattraktivität im 5. Kapitel (S 126 ff) thematisiert werden. Vor allem die Darstellung der Problematik rund um die Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Arbeitskräfteüberlassung ist sehr gelungen. In kurzer und prägnanter Art und Weise wird die – durch die Rs Martin Meat (EuGH 18.6.2015, C-586/13, ECLI:EU:C:2015:405) losgetretene – Problematik rund um die gespaltene Auslegung des § 4 Abs 2 AÜG dargestellt und deren Folgen auf die Attraktivität des Standortes analysiert. Festzuhalten ist, dass das Modell der Arbeitskräfteüberlassung definitiv sehr viele positive Seiten hat. Dennoch existieren weiterhin teils gravierende Risiken für überlassene Arbeitskräfte (zB das „Zwischenparken“ beim Arbeitsmarktservice [AMS]; siehe dazu AK Ober österreich, Informationsblatt – Arbeitskräfteüberlassung, https://ooe.arbeiterkammer.at/service/broschuerenundratgeber/arbeitundrecht/B_2023_Daten-und-Fakten_Arbeitskraefteueberlassung.pdf [zuletzt abgerufen am 1.4.2025]).

Auch das Betriebsverfassungsrecht spielt im Zusammenhang mit der Standortattraktivität eine große Rolle. Diese Zusammenhänge werden im 6. Kapitel (S 149 ff) dargestellt. Die Autorinnen fokussieren sich dabei auf die Mitwirkungsrechte des BR bei personellen Einzelmaßnahmen und auf die rechtliche Ausgestaltung von Sozialplänen. Diese Einschränkung erweist sich bei der Lektüre als keineswegs nachteilig. Im Gegenteil, diese inhaltliche Begrenzung ermöglicht eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den ausgewählten Aspekten. Auch die Wahl einer tabellarischen Gegenüberstellung (wie zB in Rz 6.42) ist nach Ansicht des Rezensenten besonders gelungen.

Im 7. Kapitel (S 179 ff) werden die faktischen und auch rechtlichen Unterschiede des Arbeitskampfrechts zwischen Österreich und Deutschland in anschaulicher Weise dargestellt. Es zeigt sich, dass sich ein österreichischer 353 Standort aufgrund der geringen Häufigkeit an Arbeitskämpfen im Vergleich zu einem deutschen Standort als wesentlich attraktiver darstellt. Einen großen Beitrag zu dieser geringen Streikhäufigkeit leistet mit Sicherheit die österreichische Sozialpartnerschaft. Auch in teilweise schwierigen Verhandlungssituationen schaffen es die Vertreter der AN- und AG-Seite, einen Kompromiss zu finden, der für alle Beteiligten eine zufriedenstellende Lösung ist. Diese Rolle der Sozialpartner kommt nach Ansicht des Rezensenten in diesem Kapitel ein wenig zu kurz. Ob die Streikhäufigkeit in Österreich auf dem geringen Niveau bleiben wird, wird die Zukunft zeigen – aus dem Blickwinkel der Standortattraktivität Österreichs wäre es ein Vorteil.

Inwiefern sich die rechtlichen Möglichkeiten der Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf den Standortfaktor Arbeitsrecht auswirken, wird im 8. Kapitel (S 197 ff) erörtert. Nach der Darstellung des allgemeinen und besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes werden in der Folge die rechtlichen Details zu Kettenbefristungen und deren unterschiedliche Ausgestaltung dargestellt. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland ist die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen nur möglich, wenn ein „sachlicher Grund“ dafür gegeben ist. In Österreich ergibt sich dies aus der Judikatur. In Deutschland ergriff der Gesetzgeber die Initiative und schuf den § 14 dTzBfG, worin einige Rechtfertigungsgründe für eine Kettenbefristung in demonstrativer Weise aufgezählt werden. Die Autorinnen stellen fest, dass die gesetzliche Regelung einerseits zu einer geringeren Flexibilität führt, andererseits aber zu mehr Rechtssicherheit.

Abschließend ist festzuhalten, dass das Handbuch Standortfaktor Arbeitsrecht von Auer-Mayer/Baringer die Unterschiede zwischen der österreichischen und deutschen Rechtslage und die Auswirkungen auf die Standortattraktivität in komprimierter, aber dennoch sehr detaillierter und anschaulicher Art und Weise analysiert. Zurecht halten die Autorinnen aber auch fest, dass die Standortattraktivität stark von der individuellen Situation des Unternehmens abhängt und das Arbeitsrecht einer von vielen Faktoren ist, das bei der Wahl des richtigen Standortes zu beachten ist (Rz 1.3). Besonders hervorzuheben ist die Darstellung der Rechtslage unter Beachtung einiger kollektivvertraglicher Regelungen sowie die zahlreichen Hinweisoder Beispielfelder, in denen in kompakter Weise auf wichtige Aspekte hingewiesen wird. Unverzichtbar ist auch die Herstellung des Unionsrechtsbezugs, da das Recht der Europäischen Union die nationalen Rechtssysteme – und so auch das Arbeitsrecht – immer stärker prägt. Auch das ist nach Ansicht des Rezensenten sehr gelungen. Vor allem Praktiker:innen, aber auch Wissenschaftler:innen kann das Handbuch Standortfaktor Arbeitsrecht von Auer-Mayer/Baringer nahegelegt und wärmstens empfohlen werden.