30Pro-Rata-Berechnung des Frühstarterbonus nach der VO (EG) 883/2004
Pro-Rata-Berechnung des Frühstarterbonus nach der VO (EG) 883/2004
Der Frühstarterbonus nach § 262a ASVG ist eine Leistung bei Alter iSd Art 3 Abs 1 lit d VO (EG) 883/2004.
Bei der Pro-Rata-Berechnung nach Art 52 VO (EG) 883/2004 des Frühstarterbonus sind bei der Bildung des Kürzungsfaktors lediglich die Versicherungszeiten, die vor dem Monatsersten nach der Vollendung des 20. Lebensjahres erworben wurden, zu berücksichtigen.
[1] Der 1958 geborene Kl erwarb bis zum Stichtag in Österreich 246 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit und in Deutschland 294 Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit zuzüglich 28 Monaten einer Anrechnungszeit für Fachschulausbildung. Von den in Deutschland erworbenen 294 Beitragsmonaten aufgrund einer Erwerbstätigkeit liegen 37 vor dem auf die Vollendung des 20. Lebensjahres folgenden Monatsersten.
[2] Mit Bescheid vom 6.7.2022 anerkannte die Bekl den Anspruch des Kl auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer und sprach aus, dass die Pension ab 1.4.2022 zuzüglich Höherversicherung 1.799,29 € betrage. Bei der Berechnung wurde ein Frühstarterbonus nicht berücksichtigt. Dagegen richtete sich die auf Gewährung 286 der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer einschließlich des Frühstarterbonus im gesetzlichen Umfang gerichtete Klage.
[3] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge. Es verpflichtete die Bekl, dem Kl ab 1.4.2022 zusätzlich zur vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer in (unstrittiger) Höhe von 1.799,29 € monatlich den Frühstarterbonus in Höhe von 16,02 € monatlich zu gewähren.
[5] Da der Kl in Österreich keine für die Berechnung des Frühstarterbonus heranzuziehenden Versicherungszeiten aufweise, gebühre ihm keine innerstaatliche („autonome“) Leistung. In Durchführung der doppelten Berechnung [nach Art 52 VO 883/2004] errechne sich für die vom Kl in Deutschland erworbenen 37 Beitragsmonate einer Erwerbstätigkeit vor Vollendung des 20. Lebensjahres ein „theoretischer Betrag“ von 37 €. Der „tatsächliche Betrag“ ergebe sich aus dem Verhältnis der in Österreich erworbenen 246 Versicherungsmonate zur Gesamtdauer der in allen Mitgliedstaaten zurückgelegten 568 Versicherungsmonate. Daraus ergebe sich ein monatlicher Frühstarterbonus von 16,02 € monatlich.
[6] 1. Mit dem Sozialversicherungsänderungsgesetz 2020 (SVÄG 2020, BGBl I 2021/28) wurde in § 262a ASVG (vgl § 286a ASVG im Bereich der knappschaftlichen PV) der Frühstarterbonus eingeführt, der die Bestimmungen über die Abschlagsfreiheit von Pensionsleistungen für Langzeitversicherte gem § 236 Abs 4b ASVG ersetzen sollte (vgl Begründung Abänderungsantrag AA-83 27. GP 8, 10; Kadlec, Der Frühstarterbonus in der Pensionsversicherung ab 1.1.2022, SozSi 2021, 170 ff; Kadlec/Zwinger, Von der Abschlagsfreiheit zu Frühstarterbonus, ZAS 2022/11, 70 f; Sonntag in Sonntag, ASVG15 [2023] § 262a Rz 1; Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm [292. Lfg 2021] § 262a ASVG Rz 1).
[7] Nach § 262a Abs 1 ASVG gebührt zu den Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und zur Invaliditätspension für jeden Beitragsmonat aufgrund einer Erwerbstätigkeit, der vor dem Monatsersten nach der Vollendung des 20. Lebensjahres erworben wurde, ein Frühstarterbonus in (gem § 262a Abs 3 ASVG aufzuwertender) Höhe von 1 €. Der Frühstarterbonus ist ab Zuerkennung der Pension Bestandteil der Pensionsleistung und mit dem (aufzuwertenden) Höchstausmaß von 60 € begrenzt (§ 262a Abs 1 Satz 2 ASVG).
[8] Nach § 262a Abs 2 ASVG gebührt der Frühstarterbonus nur dann, wenn der Pensionsleistung insgesamt mindestens 300 Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit zugrunde liegen, von denen mindestens 12 vor dem Monatsersten nach der Vollendung des 20. Lebensjahres erworben wurden.
[9] Der Bonus ist auf die nach Berücksichtigung allfälliger Zu- oder Abschläge (vgl § 261 ASVG) berechnete Pension aufzuschlagen (Sonntag in Sonntag, ASVG15 § 262a Rz 2).
[10] Aus der Zuordnung zu den Leistungen bei Alter iSd Art 3 Abs 1 lit d VO (EG) 883/2004 folgt, dass der Anspruch auf den Frühstarterbonus nach § 262a ASVG nach den Koordinierungsregeln für Versicherungsfälle der (ua) Altersrenten nach Art 50 ff VO (EG) 883/2004 zu koordinieren ist.
[11] 2.3. Die Berechnung des konkreten Leistungsbetrags hat nach Art 52 VO (EG) 883/2004 zu erfolgen (Kapuy in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht Art 52 VO [EG] 883/2004 Rz 1). [...]
[12] Besteht ein Leistungsanspruch allein nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, ist nach Art 52 Abs 1 VO (EG) 883/2004 eine doppelte Berechnung durchzuführen:
[13] In einem ersten Schritt ist nach Art 52 Abs 1 lit a VO (EG) 883/2004 nur mit den im eigenen Staat erworbenen Versicherungszeiten und nach den Berechnungsregeln dieses Staates eine innerstaatliche („autonome“) Leistung zu ermitteln.
[14] In einem zweiten Schritt ist nach Art 52 Abs 1 lit b VO (EG) 883/2004 eine anteilige Leistung zu ermitteln, und zwar unter Anwendung der Pro-Rata-Temporis-Methode. Zu diesem Zweck ist zunächst der „theoretische Betrag“ der Leistung zu berechnen, das ist der Betrag, der zustehen würde, wenn sämtliche in den Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten nur nach den Rechtsvorschriften des zusammenrechnenden Mitgliedstaats (Trägers) zurückgelegt worden wären. Der Träger wendet auch dabei die Berechnungsregeln nach seinem nationalen Recht an. Auf der Grundlage dieses „theoretischen Betrags“ berechnet der Träger den „tatsächlichen Betrag“, der dem Verhältnis der Versicherungs- oder Wohnzeiten dieses Staates zur Gesamtdauer der in allen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten entspricht.
[15] Als Leistung gebührt nach Art 52 Abs 3 VO (EG) 883/2004 der höhere der beiden Beträge.
[16] Beide Voraussetzungen erfüllt der Kl unter ausschließlicher Anwendung österreichischer Rechtsvorschriften nicht, sodass nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften kein Leistungsanspruch besteht.
[17] 3.5. Da die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch ausschließlich nach nationalem Recht nicht erfüllt sind und die Voraussetzungen für ein Absehen von der anteiligen Berechnung nach Art 52 Abs 4 oder 5 VO (EG) 883/2004 nicht vorliegen, ist eine anteilige Berechnung nach Art 52 Abs 1 lit b VO (EG) 883/2004 vorzunehmen.
[18] Das Berufungsgericht zog dafür das Verhältnis zwischen allen in Österreich erworbenen Versicherungsmonaten (246 Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit) zur Gesamtzahl der vom Kl in allen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten (568 Versicherungsmonate) heran. Für die Berechnung des Leistungsbetrags des Frühstarterbonus nach Art 52 Abs 1 bis 3 VO (EG) 883/2004 ist aber nicht das Verhältnis dieser beiden Größen ausschlaggebend:
[19] Da nach den österreichischen Rechtsvorschriften für die Berechnung der Höhe des Frühstarterbonus gem § 262a ASVG der Zeitraum vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres heranzuziehen ist, sind bei Anwendung der Pro-Rata-Temporis-Methode nur die Versicherungszeiten 287 der Berechnung zugrunde zu legen, die innerhalb dieses Zeitraums vorhanden sind. Das bedeutet, dass die Gesamtzahl der Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres sowie die Anzahl der anteiligen Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres der Berechnung zugrunde zu legen sind (Kapuy in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Art 52 VO [EG] 883/2004 Rz 23). Diese Berechnung führt im Ergebnis dazu, dass der Bonus in zwischenstaatlichen, dem Unionsrecht unterliegenden Fällen stets in jenem (mit dem Aufwertungsfaktor multiplizierten) Betrag gebührt, der den in Österreich vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres erworbenen Beitragsmonaten aufgrund einer Erwerbstätigkeit entspricht (vgl Sonntag in Sonntag, ASVG15 § 262a Rz 2; Kadlec/Zwinger, ZAS 2022/11, 71 [72]; Kadlec, SozSi 2022/170 [174] sowie das Berechnungsbeispiel bei Kapuy in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Art 52 VO [EG] 883/2004 Rz 24).
[20] 3.6. Der für den Pensionsbonus zunächst zu berechnende „theoretische Betrag“ entspricht daher der Leistung, auf die der Kl Anspruch hätte, wenn alle von ihm vor dem auf die Vollendung des 20. Lebensjahres folgenden Monatsersten zurückgelegten Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit nach österreichischen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären (Art 52 Abs 1 lit b sublit i VO [EG] 883/2004). Daraus würde sich zum Stichtag 1.4.2022 ein Frühstarterbonus von 37 € ergeben.
[21] Im nächsten Schritt ist der „tatsächliche Betrag“ der anteiligen Leistung auf Grundlage des theoretischen Betrags nach der Pro-Rata-Temporis-Methode zu ermitteln (Art 52 Abs 1 lit b sublit ii VO [EG] 883/2004), wofür die in Österreich im relevanten Zeitraum (vor dem auf die Vollendung des 20. Lebensjahres folgenden Monatsersten) erworbenen Beitragsmonate – das sind null Beitragsmonate – zu den insgesamt im relevanten Zeitraum erworbenen Beitragsmonaten (37) in Relation zu setzen sind. Da der Kl im relevanten Zeitraum keine Beitragsmonate in Österreich erworben hat, beträgt die nach Art 52 Abs 1 bis 3 VO (EG) 883/2004 ermittelte anteilige Leistung null.
[22] Der Kl hat daher keinen Anspruch auf Frühstarterbonus nach § 262a ASVG.
Ein Herzstück der Koordinierung der Sozialsysteme der Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht ist die Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs sowie für die Berechnung der Leistungen, um die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit der AN notwendigen Rahmenbedingungen herzustellen (Art 48 AEUV). Dabei berücksichtigt der zuständige Träger für den Anspruch auf eine Leistung, soweit erforderlich, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten, als ob es sich um Zeiten handeln würde, die nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind (Art 6 VO 883/2004). In Erwägungsgrund 10 zur VO 883/2004 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass der Grundsatz der Gleichstellung von bestimmten Sachverhalten oder Ereignissen (Art 5 VO 883/2004), die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats eingetreten sind, nicht zu einem Widerspruch mit dem Grundsatz der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten führen darf. Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt worden sind, werden deshalb nur durch die Anwendung des Grundsatzes der Zusammenrechnung der Zeiten berücksichtigt werden. Die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Art 71 VO 883/2004) hat mit Beschluss H6 vom 16.12.2010, (2011/C 45/04), klargestellt, dass die von einem anderen Mitgliedstaat mitgeteilten Zeiten ohne Infragestellung ihrer Qualität zusammengerechnet werden. Eine Versicherungszeit aus einem anderen Mitliedstaat muss also auch dann bei der Zusammenrechnung berücksichtigt werden, wenn die betreffende Tätigkeit oder Situation (zB bei Wohnzeiten) im zusammenrechnenden Staat zu keiner Versicherungszeit geführt hätte. Die Mitgliedstaaten bleiben jedoch unter Berücksichtigung von Art 5 VO 883/2004 für die Festlegung ihrer sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit zuständig, sofern diese Voraussetzungen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden. Für das Erfordernis des Zurücklegens von 300 Versicherungsmonaten aufgrund einer Erwerbstätigkeit für den Anspruch auf Frühstarterbonus sind daher nur solche Versicherungszeiten aus anderen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, die aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden, damit nicht gerechtfertigte Besserstellungen zwischenstaatlicher Erwerbskarrieren vermieden werden.
Bei der Pensionsberechnung wendet grundsätzlich jeder Mitgliedstaat die in seinem Recht vorgesehene Methode an. Die Berechnung der Leistung allein nach nationalen Regeln würde für Wander-AN jedoch in solchen Fällen zu Nachteilen führen, in denen sich aufgrund der Systematik des nationalen Rechts ein Versicherungsjahr bei der Berechnung unterschiedlich auswirkt, je nachdem wie es zeitlich gelagert ist. Dies war zB der Fall im früheren österreichischen Recht, in dem progressive Steigerungsbeträge vorgesehen waren. Die Pro-rata-temporis- Methode nach Art 52 VO 883/2004 bezweckt, diese Nachteile zwischenstaatlicher Erwerbskarrieren gegenüber rein nationalen Biographien zu vermeiden und beruht auf einem zweistufigen Verfahren: Im ersten Schritt berechnet der zuständige Träger einen Leistungsbetrag allein nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften, wenn die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch ausschließlich 288 nach nationalem Recht erfüllt werden (autonome Leistung; besteht kein Anspruch auf eine autonome Leistung, entfällt der erste Schritt). Im zweiten Schritt berechnet er eine Pro-rata-Leistung, indem er zunächst einen theoretischen Leistungsbetrag berechnet, auf den die Person Anspruch hätte, wenn alle nach den Rechtsvorschriften der anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Trägers zurückgelegt worden wären. Dabei werden ausschließlich Berechnungsgrundlagen aus dem zusammenrechnenden Staat berücksichtigt und auf die mitgliedstaatlichen Versicherungszeiten umgelegt. In der Folge ermittelt der Träger den tatsächlichen Betrag, indem der theoretische Betrag im Verhältnis der Zeiten, die insgesamt in allen Mitgliedstaaten erworben wurden, zu den Zeiten im eigenen Staat gekürzt wird (anteilige Leistung). Die autonome und anteilige Leistung werden verglichen und Anspruch besteht auf die höhere Leistung (der Vergleich entfällt, wenn kein Anspruch auf eine autonome Leistung besteht). Mit dieser Methode wird sichergestellt, dass für den Anspruch auf eine Leistung auch Versicherungszeiten in anderen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden, jedoch jeder Staat nur eine Leistung für die im eigenen Staat erworbenen Versicherungszeiten erbringt, da Versicherungszeiten nicht doppelt honoriert werden sollen.
Wie bereits erwähnt, kann die Pro-rata-Berechnung nur bei gewissen Gestaltungen der nationalen Leistungsberechnung zu einem anderen Ergebnis führen, als die Berechnung allein nach innerstaatlichem Recht. Die VO 883/2004 verpflichtet die Mitgliedstaaten daher nicht zur Anwendung der Pro-rata-Berechnung, wenn dies keinen Sinn macht. Dies ist dann der Fall, wenn die innerstaatliche Berechnung aufgrund der zur Anwendung kommenden Berechnungsmethode immer dazu führt, dass die autonome Leistung zumindest in derselben Höhe wie die Pro-rata-Leistung gebührt und keine Zusammenrechnung erforderlich ist (Art 52 Abs 4 VO 883/2004), sowie auch dann, wenn nach dem nationalen Recht Zeiträume für die Berechnung an sich keine Rolle spielen (Art 52 Abs 5). Letzteres ist im österreichischen Pensionskonto der Fall, in dem zwar die Gesamtgutschrift über die Jahre hinweg durch Beitragszahlungen aufgebaut wird, bei der Berechnung der monatlichen Leistung aber die Gesamtgutschrift einfach durch 14 dividiert wird. Die Befreiung von der Pro-rata-Berechnung besteht somit ua für Alterspensionen und aus solchen abgeleiteten Hinterbliebenenpensionen auf der Grundlage eines Pensionskontos nach dem APG.
Voraussetzung für den Anspruch auf Frühstarterbonus ist nach § 262a Abs 2 ASVG das Vorliegen von mindestens 300 Beitragsmonaten aufgrund einer Erwerbstätigkeit, von denen mindestens 12 vor dem Monatsersten nach der Vollendung des 20. Lebensjahres erworben wurden. Es besteht kein Zweifel, dass für die Erfüllung dieser beiden Wartezeiten die österreichischen Versicherungszeiten mit den Zeiten aus anderen Mitgliedstaaten nach Art 6 VO 883/2004 zusammenzurechnen sind. Nach Beschluss H6 der Verwaltungskommission müssen Zeiten aus anderen Mitgliedstaaten nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich um Zeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit handelt. Das im Verfahren von Seiten des Kl vorgebrachte Argument, die deutschen Versicherungszeiten, die vor Vollendung des 20. Lebensjahres erworben wurden, müssten österreichischen Zeiten nach Art 5 VO 883/2004 gleichgestellt werden, widerspricht den Grundprinzipien des koordinierenden Sozialrechts und wird durch Erwägungsgrund 10 und den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung eindeutig widerlegt.
Da es sich beim Frühstarterbonus um einen Zuschlag zur Pension handelt, ist auch dieser als Leistung bei Alter nach Art 3 Abs 1 Buchstabe d VO 883/2004 zu qualifizieren und unterliegt der Berechnung nach Art 52 VO 883/2004. Eine Ausnahme von der Pro-rata-Berechnung kommt hier nicht in Betracht, da – anders als im Pensionskonto – für die Berechnung des Bonus Zeiträume für die Leistungshöhe relevant sind. Bei der Ermittlung des theoretischen Betrags gingen alle Instanzen zurecht davon aus, dass dieser durch Addition von jeweils einem Euro für die Versicherungsmonate, die vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres erworben wurden, berechnet wird, somit insgesamt € 37,– für 37 deutsche Versicherungsmonate. Die Berücksichtigung von Bemessungsgrundlagen oder Werten auch für Versicherungsmonate nach diesem Zeitraum wäre mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Berechnung der Höhe des Frühstarterbonus nicht vereinbar.
Die einzige und wesentliche Unklarheit im vorliegenden Verfahren bestand daher in der Frage, wie der Kürzungsfaktor für die Pro-rata-Berechnung zu bilden ist: Ist der theoretische Betrag zu kürzen im Verhältnis aller erworbenen österreichischen Versicherungszeiten zu der Summe der österreichischen und deutschen Zeiten insgesamt oder nur im Verhältnis der österreichischen Versicherungszeiten, die vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres erworben wurden, zu der Summe der österreichischen und deutschen Zeiten, die vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres erworben wurden? Da bis zu diesem Zeitpunkt keine österreichischen Versicherungszeiten erworben wurden, würde die Bildung des Kürzungsfaktors nur auf der Grundlage dieses Zeitraums jedenfalls zu einem Berechnungsergebnis von 0 und damit zu keinem Anspruch auf Frühstarterbonus führen. Die Alternative, nämlich die Bildung des Kürzungsfaktors auf der Grundlage aller erworbener Versicherungszeiten, würde aber bedeuten, dass der theoretische Betrag und der Kürzungsfaktor jeweils aufgrund verschiedener Versicherungszeiten gebildet würden. Wie oben erwähnt, ist es aufgrund der Konzeption des Frühstarterbonus nämlich zwingend, bei der Berechnung des theoretischen Betrags nur auf den Zeitraum vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres abzustellen. Ein aufgrund sämtli- 289 cher Versicherungszeiten gebildeter Kürzungsfaktor würde demgegenüber auf einem Zeitraum basieren, der Jahrzehnte darüber hinausreicht. Es ist aber der Pro-rata-Berechnung inhärent, dass der theoretische Betrag und der Pro-rata-Faktor auf der Grundlage derselben Versicherungszeiten ermittelt werden. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut von Art 52 als auch aus der Zielsetzung und Funktion der Pro-rata-Berechnung (so auch Kapuy in Spiegel [Hrsg], Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Art 52 VO [EG] 883/2004 Rz 23 und 24). Der Pro-rata-Faktor stellt sicher, dass jeder Mitgliedstaat nur für die Zeiten im eigenen System eine Leistung erbringt. Wenn nun das Verhältnis der eigenen Versicherungszeiten zu den Zeiten insgesamt, das sich im Kürzungsfaktor widerspiegelt, auf einen theoretischen Betrag angewendet wird, der auf der Grundlage eines viel kürzeren Zeitraums und eines ganz anderen Verhältnisses der Versicherungszeiten gebildet wurde, wird dieses Prinzip der Pro-rata-Berechnung unterlaufen. Im vorliegenden Fall wurde der theoretische Betrag aufgrund von 37 deutschen Versicherungsmonaten ermittelt; das Verhältnis österreichischer Versicherungszeiten zu den Zeiten insgesamt beträgt 0:37. Würde der Kürzungsfaktor anhand der gesamten Versicherungskarriere ermittelt, würde dieser auf dem Verhältnis 294:568 beruhen. Der österreichische Träger müsste daher für deutsche Zeiten eine Leistung erbringen. Dies entspricht nicht der Intention von Art 52 VO 883/2004.
Ungewöhnliche Konstruktionen im nationalen Sozialversicherungsrecht werfen bei der Anwendung der Bestimmungen der VO 883/2004 manchmal schwierige Fragen auf, weil nicht eindeutig beantwortbar ist, wie diese in grenzüberschreitenden Situationen anzuwenden sind. Ein besonders prägnantes Beispiel für diese Problematik ist die Koordination von Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG, das Elemente sowohl von Leistungen der KV als auch der PV aufweist. Nachdem jahrelang in der Judikatur des OGH und auch aufgrund von Stimmen in der Literatur Elemente aus beiden in Betracht kommenden Kapiteln der VO 883/2004 angewendet wurden, bereitete der EuGH dieser Vorgangsweise mit dem Urteil in der Rs C-135/19, CW vom 5.3.2020 ein Ende, wobei ich persönlich der Auffassung bin, dass die Überlegungen davor einen höheren Komplexitätsgrad aufwiesen als das Urteil des EuGH.
Der Frühstarterbonus nach § 262a ASVG weist die Besonderheit auf, dass er ein Zuschlag zur Alterspension nach dem APG ist, jedoch außerhalb des Pensionskontos steht und gesondert ermittelt wird. Besonders markant ist, dass der Frühstarterbonus auf der Grundlage eines eng begrenzten Zeitraumes vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres berechnet wird. Weil die Berechnung des Frühstarterbonus auf bestimmten genau definierten Zeiträumen beruht, ist er auch – anders als die Alterspension nach dem APG – nicht von der Pro-rata-Berechnung befreit. Es verwundert daher nicht, dass bei der Anwendung von Art 52 VO 883/2004 Fragen auftraten, wie in einer solchen Konstellation der Kürzungsfaktor zu bilden ist und welche Auswirkungen es möglicherweise hat, dass die Alterspension nach dem APG von der Pro-rata-Berechnung befreit ist, der Frühstarterbonus jedoch nicht.
Dennoch erscheint mir hier – anders als beim Rehabilitationsgeld – die Antwort eindeutig. Eine genaue Analyse von Sinn und Zweck der Pro-rata-Berechnung sowie ihrer Grundlagen führt zu der Schlussfolgerung, dass der theoretische Betrag nach Art 52 Abs 1 lit b sublit i und der Kürzungsfaktor nach Art 52 Abs 1 lit b sublit ii auf der Grundlage derselben Versicherungszeiten zu ermitteln sind, weil es ansonsten zu Ergebnissen käme, die mit den Grundlagen der Pro-rata-Berechnung nicht vereinbar sind. Zwar sollen durch die Pro-rata-Berechnung freizügigkeitshemmende Nachteile für Personen vermieden werden, die in mehreren Mitgliedstaaten Versicherungszeiten erworben haben, doch darf diese Form der Berechnung nicht dazu führen (von wenigen, genau definierten Ausnahmen abgesehen), dass ein Träger eine Leistung für Zeiten erbringen muss, die im System eines anderen Mitgliedstaats erworben wurden. Genau das wäre hier aber der Fall, müsste der österreichische Träger einen aliquoten Frühstarterbonus leisten, obwohl der Kl vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres keine österreichischen Versicherungszeiten erworben hat.
Primärrechtliche Aspekte können für einen Anspruch auf Frühstarterbonus auch nicht ins Treffen geführt werden, weil es wohl die Freizügigkeit nicht beeinträchtigt, wenn ein deutscher Staatsbürger, der zunächst im deutschen System erste Versicherungszeiten erwirbt und erst in einem höheren Lebensalter auch in Österreich erwerbstätig ist, von der österreichischen SV keinen Frühstarterbonus erhält. Dass die Berechnung der Alterspension nach dem APG selbst von der Pro-rata-Berechnung befreit ist, spielt für diese Überlegungen grundsätzlich keine Rolle und man käme im österreichischen System vor der Einführung des Pensionskontos zu demselben Ergebnis. In diesem Fall wären der theoretische Betrag und der Kürzungsfaktor für die Pro-rata-Alterspension auf der Grundlage aller in Österreich und Deutschland erworbener Versicherungszeiten zu bilden und der theoretische Betrag sowie der Kürzungsfaktor für den Frühstarterbonus ebenfalls nur auf der Grundlage des Zeitraums bis zum Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres.
Dem Urteil des OGH ist daher in vollem Umfang zuzustimmen. Auch seine Entscheidung, dass eine Vorlage an den EuGH in dieser Rechtsfrage nicht erforderlich war, ist zu begrüßen. 290