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Kein Kostenzuschuss für eine von der Prophylaxeassistenz durchgeführte Parodontalbehandlung

SUSANNE AUER-MAYER (WIEN)
§§ 4, 24, 73, 84 ZÄG; §§ 131, 133, 153 ASVG
OGH 10.9.2024 10 ObS 54/24zOLG Graz 21.3.2024 7 Rs 52/23fLG Graz 13.6.2023 36 Cgs 19/23x
  1. Zweck des Zahnarztvorbehalts nach § 4 Abs 3 ZÄG ist es, dass die dieser Berufsgruppe abverlangten qualifizierten Leistungen nur durch Personen erbracht werden, welche die erforderliche Ausbildung absolviert und die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben.

  2. Um als zahnärztlicher Laie zahnärztliche Tätigkeiten ausüben zu dürfen, bedarf es einer lex specialis. Die Durchführung einer Parodontalbehandlung gehört nicht zu den nach §§ 73 und 84 ZÄG erlaubten Tätigkeiten einer Prophylaxeassistenz und darf daher auch bei ärztlicher Anordnung und Aufsicht nicht durch diese durchgeführt werden.

  3. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass ausschließlich in zulässiger Weise erbrachte Leistungen von der KV abzugelten sind. Es besteht daher ein weitgehender Gleichklang zwischen dem Umfang des sozialversicherungsrechtlichen Krankenbehandlungsanspruchs und den berufsrechtlichen Vorgaben.

[1] Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Bekl dem Kl einen Kostenzuschuss für eine von der Prophylaxeassistentin des behandelnden Zahnarztes durchgeführte Parodontalbehandlung zu leisten hat.

[2] Der Kl leidet an Parodontitis Grad 3 und 4, bei denen eine therapeutische Intervention iS einer Parodontaluntersuchung und -therapie notwendig ist. [...]

[3] [...] Die therapeutische Konsequenz war, dass die Zahntaschen gereinigt werden mussten. Der Zahnarzt nahm den klinischen Befund auf. Die Behandlung des Kl dauerte ca eine Stunde und wurde durch die Prophylaxeassistentin des Zahnarztes durchgeführt.

[4] Mit Bescheid vom 28.12.2022 lehnte die Bekl den Antrag des Kl auf Kostenzuschuss für die am 22.8.2022 durchgeführte Parodontalbehandlung ab.

5] Mit seiner Klage begehrt der Kl die Gewährung eines Zuschusses im höchstmöglichen Umfang für die in Anspruch genommene Parodontalbehandlung.

[6] Die Bekl hielt dem entgegen, dass eine parodontale Initialtherapie, bei der es sich um eine konservierende, chirurgische Zahnbehandlung handle, ausschließlich von den in § 26 Abs 1 Krankenordnung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) taxativ aufgezählten Leistungserbringern [gemeint: Zahnärzt:innen] durchgeführt werden dürfe.

[7] Das Erstgericht verpflichtete die Bekl, dem Kl einen Kostenzuschuss „im gesetzlichen Ausmaß entsprechend dem Anhang 2 Teil A Zahl 5 lit a der Satzung 2020 der Österreichischen Gesundheitskasse nach der 4. Änderung“ zu gewähren. 300

[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Bekl dem Kl einen Kostenzuschuss iHv 55,80 € zu leisten habe. [...]

[9] Die Revision ließ das Berufungsgericht [...] zu.

[...] [12]

[13] 1. Die Bekl wendet sich nur noch gegen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass selbst bei Überschreiten der Kompetenzen einer Prophylaxeassistentin deren durchgeführte Parodontalbehandlung zu einer Leistungspflicht der Bekl führt [...].

[14] 2.1. Wie der OGH bereits in den Entscheidungen 10 ObS 260/92 und 10 ObS 48/94 unter Bezugnahme auf Mazal (Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung. Eine Untersuchung zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung [1992] 260 f mwN) ausführte, kann auf der Basis der Bestimmungen über das ärztliche Berufsrecht ein System der Zurechnung der Tätigkeiten von Ärzten und von Nichtärzten zur objektiven Dimension von ärztlicher Hilfe als krankenversicherungsrechtliche Leistung erstellt werden.

[15] 2.1.1. Das innerste Feld bilden dabei jene Tätigkeiten, deren Verrichtung ausschließlich Ärzten vorbehalten ist. Es handelt sich dabei um jene diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten, die ein umfassendes, mit wissenschaftlichen Methoden erarbeitetes Wissen über den menschlichen Körper und über deren mögliche Veränderungen sowie über die Möglichkeiten, dies zu erkennen und darauf Einfluss zu nehmen, voraussetzen. In diesem Bereich decken sich der sachliche und personelle Aspekt der ärztlichen Berufsausübung.

[16] 2.1.2. In einem weiteren Kreis finden sich jene Tätigkeiten, die zwar in methodischer Hinsicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, die aber materiell nur einen Detailbereich jener für das medizinisch-wissenschaftliche Wissen maßgeblichen Gesamtschau betreffen. Diese Tätigkeiten sind, was ihre Verrichtung betrifft, nicht zwangsläufig mit der Person des Arztes verknüpft; sie sind jedoch Teil der ärztlichen Berufsausübung, wenn sie von einem Arzt verrichtet werden und können daher jedenfalls dann in die objektive Dimension der Krankenbehandlung einfließen, wenn ein Arzt einschreitet. Soweit diese Tätigkeiten auch Nichtärzten offenstehen, können sie der ärztlichen Berufsausübung – und damit der Dimension von ärztlicher Hilfe als Kassenleistung – nur zugerechnet werden, wenn der Nichtarzt zu einem Arzt in einer qualifizierten Verantwortungsbeziehung steht, die sicherstellt, dass die Nichtärzte unter Aufsicht und Anleitung durch den Arzt tätig werden.

[17] 2.1.3. Diese Grundsätze haben in gleicher Weise für die Zahnbehandlung und den Zahnersatz nach § 153 ASVG Gültigkeit (10 ObS 260/92).

[18] 2.2. Zahnbehandlung und Zahnersatz werden gem § 153 Abs 3 ASVG als Sachleistungen durch Vertragsärzte, Wahlärzte (§ 131 Abs 1 ASVG), durch Vertragsdentisten, Wahldentisten (§ 131 Abs 1 ASVG), in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) der Versicherungsträger (des Hauptverbandes) oder in Vertragseinrichtungen gewährt.

[19] 2.3.1. Grundsätzlich ist die Ausübung der Zahnmedizin und des im ZÄG umschriebenen Tätigkeitsbereichs nur Zahnärzten erlaubt, die die entsprechenden berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit erfüllen (§ 4 Abs 1, § 6 ZÄG).

20] 2.3.2. Der den Angehörigen des zahnärztlichen Berufs vorbehaltene Tätigkeitsbereich umfasst insb die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Krankheiten und Anomalien der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe, die Behandlung sowie die Vornahme operativer Eingriffe im Zusammenhang mit diesen Zuständen (§ 4 Abs 3 Z 1, 3 und 4 ZÄG).

[21] 2.4. Zweck des Zahnarztvorbehalts nach § 4 Abs 3 ZÄG ist es, dass die dieser Berufsgruppe abverlangten qualifizierten Leistungen nur durch Personen erbracht werden sollen, welche die erforderliche Ausbildung absolviert und die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben. Dabei steht der Gesundheitsschutz des Patienten im Vordergrund (Krauskopf in Neumayr/Resch/Wallner [Hrsg], GmundKomm2 § 4 ZÄG [Stand 1.1.2022, rdb.at] Rz 13 f unter Bezugnahme auf Wallner, Der Arztvorbehalt und seine Grenzen, RdM 2011, 145).

[22] 2.5.1. Gem § 24 Abs 1 ZÄG haben Angehörige des zahnärztlichen Berufs ihren Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, insb in Form von Ordinations- und Apparategemeinschaften (§ 25 ZÄG) oder Gruppenpraxen (§ 26 ZÄG), auszuüben. Sie dürfen sich aber nach Abs 2 leg cit im Rahmen ihrer Berufsausübung der Mithilfe von Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach ihren genauen Anordnungen und unter ihrer ständigen Aufsicht handeln.

[23] 2.5.2. Um als zahnärztlicher Laie, dh als jemand, der die zahnärztlichen Berufsvoraussetzungen des ZÄG nicht erfüllt, zahnärztliche Tätigkeiten ausüben zu dürfen, bedarf es einer lex specialis. Eine solche stellt zB § 24 Abs 3 ZÄG dar (Krauskopf in Neumayr/Resch/Wallner [Hrsg], GmundKomm2 § 4 ZÄG [Stand 1.1.2022, rdb.at] Rz 14), wonach Angehörige des zahnärztlichen Berufs zahnärztliche Tätigkeiten an Angehörige anderer Gesundheitsberufe übertragen dürfen, sofern diese vom Tätigkeitsbereich des entsprechenden Gesundheitsberufs umfasst sind. Derartige Gesundheitsberufe sind die Zahnärztliche Assistenz (§§ 72 ff ZÄG) sowie die weitere Spezialqualifikation der Prophylaxeassistenz (§§ 84 ff ZÄG).

[24] 3. Es stellt sich somit die Frage, ob eine Parodontalbehandlung bei einer Parodontitis von Grad 3 und 4 nur durch einen Zahnarzt oder auch durch einen Prophylaxeassistenten durchgeführt werden darf.

[25] 3.1.1. Der Tätigkeitsbereich der Zahnärztlichen Assistenz umfasst gem § 73 Abs 1 ZÄG die Assis tenz bei der konservierenden Behandlung einschließlich Polieren von Füllungen und Desensibilisierung von Zahnhälsen (Z 1), die Assistenz bei der chirurgischen Behandlung (Z 2), die Assistenz bei der prothetischen Behandlung sowie einfache Labortätigkeiten (Z 3), die Assistenz bei der parodontologischen 301 Behandlung (Z 4), die Assistenz bei der kieferorthopädischen Behandlung (Z 5), die Assistenz bei prophylaktischen Maßnahmen einschließlich Statuserhebung, Information und Demonstration von Mundhygiene, Anfärben, Putzübungen, zahnbezogene Ernährungsberatung und Fluoridierung (Z 6), die Anfertigung, Entwicklung und Archivierung von Röntgenaufnahmen (Z 7) sowie die Praxishygiene, Reinigung, Desinfektion, Sterilisation und Wartung der Medizinprodukte und sonstiger Geräte und Behelfe sowie die Abfallentsorgung (Z 8). Sämtliche Tätigkeiten nach Abs 1 leg cit dürfen gem Abs 2 leg cit nur nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Dentistenberufs oder von Fachärzten/Fachärztinnen für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie durchgeführt werden. Eine (bloße) Assistenztätigkeit iSd § 73 ZÄG liegt nicht vor.

[26] 3.1.2. Gem § 84 Abs 1 ZÄG umfasst die Spezialqualifikation der Prophylaxeassistenz über die Tätigkeiten der Zahnärztlichen Assistenz (§ 73 ZÄG) hinaus die Durchführung von prophylaktischen Maßnahmen zur Vorbeugung der Erkrankung der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs.

[27] 3.1.3. Nach Anlage 4 Pkt III der ZASS-Ausbildungsverordnung (BGBl II 2013/283) ist als Qualifikationsprofil der Prophylaxeassistenz die Durchführung folgender präventiver und therapeutischer Maßnahmen vorgesehen: die professionelle Zahnreinigung (bedarfsorientierte Arbeitssystematik), das Herstellen von sauberen Verhältnissen in der Mundhöhle, prophylaktische Maßnahmen (zB Ernährungsfragen, Anleitung zur Interdentalraumreinigung) sowie die lokale Anwendung von zahnhalsdesensibilisierenden Mitteln.

[28] 3.2. Es ergibt sich somit bereits aus dem Wortlaut des § 84 Abs 1 ZÄG, dass die Prophylaxeassistenz zum einen stets nur nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs tätig werden darf und, wie sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Berufsbezeichnung deutlich ausdrücken, sie nur prophylaktische Maßnahmen ausüben darf. Die einzige in der ZASS-Ausbildungsverordnung genannte allenfalls als therapeutisch anzusehende Maßnahme ist die lokale Anwendung von zahnhalsdesensibilisierenden Mitteln.

[29] 3.3.1. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aus den erstgerichtlichen Feststellungen nicht ergibt, dass der behandelnde Zahnarzt die Durchführung der „therapeutischen Intervention“ an seine Prophylaxeassistentin übertragen habe. Es existieren auch keine Feststellungen dazu, ob er sie dabei beaufsichtigte oder zumindest während der Behandlung in der Nähe gewesen war, somit eine entsprechende Kontrolle oder Aufsicht ausgeübt hätte. [...]

[30] 3.3.2. Tatsächlich kommt es darauf, ob die Prophylaxeassistentin nach Anordnung und unter Aufsicht des Zahnarztes tätig geworden war, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen gar nicht an, liegt doch unabhängig davon eine Verletzung des Zahnarztvorbehalts iSd § 4 Abs 3 ZÄG iVm § 24 Abs 3 ZÄG vor:

[31] 3.3.3. Wie oben bereits ausgeführt, beschränkt sich die erlaubte Tätigkeit einer Prophylaxeassistenz über die Tätigkeiten gem § 73 ZÄG hinsichtlich der Zahnärztlichen (bloßen) Assistenz hinaus auf die Durchführung von prophylaktischen Maßnahmen.

[32] 3.3.4. Bei der Behandlung der Parodontitis Grad 3 und 4, bei der eine therapeutische Intervention iS einer Parodontaluntersuchung und -therapie notwendig ist, handelt es sich nicht um eine prophylaktische Maßnahme, sondern um eine zahnärztliche – allenfalls sogar von einem Spezialisten für Parodontologie durchzuführende – Behandlung des erkrankten Zahnhalteapparats, die von der (bloßen) professionellen Zahnreinigung abzugrenzen ist (siehe dazu auch Sparl, [Medizin-] rechtliche Fragen der Zahnmedizin [2009] 41). Die Behandlung des Kl fällt somit nicht in das Tätigkeitsfeld der Prophylaxeassistenz und darf daher auch nicht von dieser durchgeführt werden, auch nicht nach Anordnung und unter Aufsicht einer Zahnärztin oder eines Zahnarztes.

[33] 4. Diese Kompetenzüberschreitung führt zu einem Entfall der Zuschusspflicht der Bekl.

[34] 4.1. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rsp besteht ein weitgehender Gleichklang zwischen dem Umfang des sozialversicherungsrechtlichen Krankenbehandlungsanspruchs und den berufsrechtlichen Vorgaben des ÄrzteG (so ausdrücklich 10 ObS 63/13g; 10 ObS 109/16a; jüngst 10 ObS 21/24x Rz 11; vgl auch Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 18 sowie § 135 Rz 5 [Stand 1.1.2020, rdb.at] mwN). Der Gesetzgeber des ASVG ging bei der Honorierung ärztlicher Leistungen davon aus, dass ausschließlich in zulässiger Weise erbrachte Leistungen von der KV abzugelten sind (10 ObS 109/16a [ErwGr 3.1]; zustimmend Wallner, Anm zu 10 ObS 109/16a, JAS 2017, 305 [309 f] unter Hinweis darauf, dass der Begriff der „ärztlichen Hilfe“ nach § 135 Abs 1 ASVG als eine der in § 133 ASVG vorgesehenen Pflichtleistungen aus der Krankenbehandlung ärztliche Leistung nach Maßgabe der im ÄrzteG vorgesehenen Voraussetzungen meint). Ausgehend davon hat der Senat bisher eine Kostenerstattung gem § 131 Abs 1 ASVG nicht nur im Fall einer den berufsrechtlichen Vorgaben widersprechenden Fachgebietsüberschreitung des behandelnden Arztes (10 ObS 340/98t) oder bei selbständig durch andere Personen als Ärzte durchgeführten Krankenbehandlungen abgelehnt (10 ObS 260/92 [Leistungen eines Zahntechnikers]; 10 ObS 2303/96s [psychotherapeutische Behandlung vor Inkrafttreten der 50. ASVG-Novelle am 1.1.1992, BGBl 1991/676 ]), sondern einen Kostenersatz auch im Fall eines Verstoßes gegen das Verbot der freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufs ohne bestimmten Berufssitz („Wanderpraxis“) nach § 45 Abs 4 ÄrzteG unter Hinweis darauf verneint, dass die Erbringung ärztlicher Leistungen außerhalb von Ordinationen oder Krankenanstalten nur in Frage komme, wenn dies gesetzlich ausdrück- 302 lich gestattet sei (siehe auch jüngst 10 ObS 21/24x; vgl RS0131108, RS0111593).

[35] 4.2. Im vorliegenden Fall hätte die Prophylaxeassistentin jedenfalls nicht eigenständig die Parodontalbehandlung vornehmen dürfen und hat damit ihre Kompetenz überschritten. Die zum Schutz der Patienten erlassenen berufsrechtlichen Vorschriften sollen nicht dadurch unterlaufen werden, dass sie für die Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers als unerheblich angesehen werden (10 ObS 21/24x Rz 15 unter Verweis auf Wallner, JAS 2017, 310 sowie Schrattbauer, DRdA 2017/29, 291, die zu Recht darauf verweist, dass es für die Frage der Kostenerstattung keine Rolle spielt, ob im Einzelfall tatsächlich Patienteninteressen unmittelbar gefährdet waren). Nach den vorstehenden Erwägungen ist daher eine Kostenzuschusspflicht der Bekl zu verneinen. [...].

ANMERKUNG

In der gegenständlichen E hatte sich der OGH erstmals näher mit der Frage des krankenversicherungsrechtlichen Kostenersatzanspruches für Leistungen der zahnärztlichen Prophylaxeassistenz und damit als Vorfrage auch mit der Reichweite deren berufsrechtlicher Befugnisse zu beschäftigen. Dabei ist schon bemerkenswert, dass der Fall überhaupt bis vor das Höchstgericht gelangte, war die Ablehnung des Kostenersatzes durch die ÖGK doch offenkundig dem Umstand geschuldet, dass nach Maßgabe der ärztlichen Honorarnote spezifisch die Leistung der Prophylaxeassistentin verrechnet wurde. Das dürfte in der Praxis nicht der Regelfall sein.

1.
Kein Anspruch auf Kostenersatz bei Überschreitung der berufsrechtlichen Befugnisse

Im Ergebnis birgt das gegenständliche Urteil (auch angesichts der nach den persönlichen Erfahrungen der Rezensentin in zahnärztlichen Ordinationen mitunter recht großzügigen Übertragung von Aufgaben an die Prophylaxeassistenz) durchaus über den konkreten Einzelfall hinaus Sprengkraft. Denn anders als die Vorinstanzen, die den Anspruch auf Kostenzuschuss noch bejaht hatten, verneint der OGH einen Anspruch auf (teilweisen) Kostenersatz aus der KV für die durch die Prophylaxeassistentin geleistete Parodontalbehandlung. Dies nicht etwa mangels Vorliegens der auch für den Anspruch auf zahnärztliche Krankenbehandlung geforderten Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit (vgl § 153 iVm § 133 ASVG), sondern wegen Überschreitens der berufsrechtlichen Befugnisse der Prophylaxeassistentin. Dabei überzeugt sowohl die Begründung als auch das Ergebnis des OGH.

Im Einklang mit seiner bisherigen Rsp (vgl neben den Zitaten im Entscheidungstext auch RIS-Justiz RS0111593, RS0131108 sowie nunmehr RS0134914) geht der OGH zunächst zurecht davon aus, dass hinsichtlich der Reichweite des krankenversicherungsrechtlichen Anspruchs auf Kostentragung auch den berufsrechtlichen Befugnissen – freilich nur als äußere Grenze – maßgebliche Bedeutung zukommt (dazu exemplarisch näher Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 18 ff [Stand 1.1.2020, rdb.at]; Felten, aaO § 135 ASVG Rz 5 ff; Schrattbauer, Die Pflicht zur persönlichen Ausübung des ärztlichen Berufs, SozSi 2018, 90 [92, 96]). Werden diese überschritten, besteht nicht nur kein Honoraranspruch von Vertragspartner:innen gegenüber dem Krankenversicherungsträger, sondern entfällt auch ein Kostenersatzanspruch der Versicherten bei Konsultation von Wahlbehandler:innen. Das gilt auch dann, wenn die konkrete Behandlung notwendig und erfolgreich war und unabhängig davon, ob die Befugnisüberschreitung zu einer konkreten Gefährdung der Patient:innen geführt hat (vgl auch mwN Grillberger, Organisation der Gesundheitsversorgung, in Mosler [Hrsg], Ärztliches und nichtärztliches Vertragspartnerrecht [2023] 37 ff; Auer-Mayer, Wahlbehandler, in Mosler [Hrsg], Ärztliches und nichtärztliches Vertragspartnerrecht 600 f).

2.
Berufsrechtliche Unzulässigkeit der Behandlung

Ebenso überzeugend ist die Annahme des OGH, dass in concreto wegen Verstoßes gegen den Zahnärztevorbehalt (vgl insb § 4 Abs 3 ZÄG) die berufsrechtlichen Befugnisse überschritten wurden und daher kein Kostenersatzanspruch bestand. Schon auf den ersten Blick offenkundig ist dieses Ergebnis indes – wie auch die abweichenden Entscheidungen der Vorinstanzen zeigen – nicht.

So bot sich als mögliche berufsrechtliche Grundlage für die Tätigkeit der Prophylaxeassistentin a priori insb eine Delegation nach Maßgabe des § 24 Abs 3 ZÄG (vgl auch § 49 Abs 3 ÄrzteG) an. Wie der OGH ausführlich herausarbeitet, gehört die Parodontalbehandlung (anders als die bloße Prophylaxe) jedoch gerade nicht zu jenen Tätigkeiten, die im Rahmen der berufsrechtlichen Befugnisse der Prophylaxeassistenz liegen und daher – unter ärztlicher Anordnung und Aufsicht – auf diese übertragen werden dürfen.

Eine berufsrechtlich zulässige Tätigkeit der Prophylaxeassistentin wäre somit nur noch dann in Frage gekommen, wenn diese nach § 24 Abs 2 ZÄG zulässigerweise als Hilfsperson eingesetzt worden wäre. Auch das war aber nicht der Fall, was offenkundig auch der OGH, wenngleich ohne dezidierte Ausführungen dazu, annimmt. Gegen eine Tätigkeit als Hilfsperson iSd § 24 Abs 2 ZÄG (§ 49 Abs 2 ÄrzteG) spricht insb, dass diese Bestimmung den Einsatz von Hilfspersonen nur unter „genauen Anordnungen“ und der „ständigen Aufsicht“ des:der Arztes:Ärztin zulässt. Damit unterscheidet sich die Hilfstätigkeit auch ganz maßgeblich von der in Abs 3 leg cit vorgesehenen Aufgabenübertragung, welche eine bloße ärztliche „Anordnung“ und (sofern berufsrechtlich vorgesehen) „Aufsicht“ erfordert. Folgerichtig geht die hA davon aus, dass der Einsatz von Hilfspersonen nur bei ständiger ärztlicher Anwesenheit zulässig ist. Hinzu kommt, dass Hilfspersonen nur unterstützend herangezogen werden dürfen (vgl nur Grillberger, Zahnärzte, 303 in Mosler [Hrsg], Ärztliches und nichtärztliches Vertragspartnerrecht 349; Stöger in Stöger/Zahrl [Hrsg], ÄrzteG § 49 Rz 12 [Stand 1.1.2023, rdb.at]; Schrattbauer, SozSi 2018, 90 [93 ff]; Wallner in Neumayr/Resch/Wallner [Hrsg], GmundKomm2 § 49 ÄrzteG Rz 31 ff [Stand 1.1.2022, rdb.at]; Schneider, Ärztliche Ordinationen und selbständige Ambulatorien im Verwaltungs-, Sozial- und Steuerrecht [2001] 205 f; vgl auch VwGHRa 2017/08/0098 8DRdA-infas 2018/9; aA Mazal, Heranziehung von Hilfspersonen durch Ärzte – berufsrechtliche Aspekte, RdM 1996, 35 [35 ff]). Beide Voraussetzungen lagen in concreto nicht vor.

Schon aus diesem Grund kann daher – anders als dies der OGH im Grundsatz auch in der gegenständlichen E im Anschluss an Mazal (Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung [1992] 259 ff) zu sehen scheint (vgl zudem OGH10 ObS 48/94 SSVNF 8/3g; OGH10 ObS 311/00h ZAS 2002/10, 84 [Posch]; OGH10 ObS 63/13g DRdA 2014/17, 225 [Resch]; krit dazu Felten in SV-Komm § 135 ASVG Rz 6 f; Schrattbauer, SozSi 2018, 90 [96] mwN) – auch in einem „weiteren Kreis“ ärztlicher Tätigkeit (außerhalb der Gleichstellung nach § 135 Abs 2 ASVG) nicht schon bei Bestehen einer ein jederzeitiges Eingreifen ermöglichenden „qualifizierten Verantwortungsbeziehung“ zu dem:der Arzt:Ärztin eine Zurechnung der Tätigkeit nichtärztlicher Leistungserbringer:innen zur ärztlichen Hilfe iSd § 135 Abs 1 ASVG erfolgen. Denn schon berufsrechtlich ist bei richtigem Verständnis außerhalb der gesetzlichen Delegationsmöglichkeiten (§ 24 Abs 3 ZÄG, § 49 Abs 3 ÄrzteG) die Heranziehung von Hilfspersonen zur ärztlichen Hilfe nur bei gleichzeitiger Anwesenheit des:der Arztes:Ärztin (im Behandlungsraum und nicht nur in der Ordination!) als zulässig anzusehen. Oder anders gesprochen: Wie „qualifiziert“ die Verantwortungsbeziehung sein muss, richtet sich zunächst jedenfalls nach den berufsrechtlichen Vorgaben. Demnach dürfen, wie auch der OGH betont, ärztliche Tätigkeiten nur auf Basis einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage an Nichtärzt:innen übertragen werden (vgl auch mwN Stöger in Stöger/Zahrl [Hrsg], ÄrzteG § 49 Rz 8 [Stand 1.1.2023, rdb.at]). Nicht zuletzt stünde im Übrigen bei richtigem Verständnis selbst bei einer weiteren Auslegung der berufsrechtlichen Befugnisse (und umso mehr bei Heranziehung Dritter für nichtärztliche Tätigkeiten) noch keineswegs fest, dass die Leistungen dieser Personen auch als ärztliche Hilfe iSd § 135 Abs 1 ASVG auf Kosten der KV verrechnet werden können (vgl erneut schon Schrattbauer, SozSi 2018, 90 [92]; Felten in SV-Komm § 135 ASVG Rz 7).

3.
Ersatzansprüche der Versicherten

Das bisher Gesagte bedeutet nicht, dass der Kl damit die Behandlungskosten zur Gänze selbst zu tragen hat:

Dieser hat mit seinem Zahnarzt offenkundig einen Behandlungsvertrag (ua) über die Durchführung einer Parodontalbehandlung abgeschlossen. Hierbei durfte er wohl unbestritten davon ausgehen, (nur) einen Vertrag über die Durchführung einer berufsrechtlich zulässigen Behandlung angeboten zu bekommen und dementsprechend abzuschließen. Folglich hat der Zahnarzt durch die unzulässige Delegation der Behandlung an die Prophylaxe assistentin gegen seine vertraglichen Sorgfaltspflichten verstoßen und diesen Vertrag sohin – rechtswidrig und schuldhaft – nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dem Kl kommt damit ein vertraglicher Schadenersatzanspruch zu, wobei der konkrete Schaden (unter der Prämisse, dass die Behandlung als solche komplikationsfrei verlaufen ist) vor allem in dem durch die unzulässige Übertragung bewirkten Verlust des Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Krankenversicherungsträger besteht.

Hieran würde sich auch nichts ändern, falls im Zuge des Abschlusses des Behandlungsvertrages explizit eine Behandlung (auch) durch die Prophylaxeassistentin vereinbart worden wäre. Denn da auch in diesem Fall die – auch (verwaltungs)strafrechtlich abgesicherten (vgl § 89 Abs 1 Z 1 und 2 ZÄG; zudem insb § 184 StGB zur „Kurpfuscherei“) – berufsrechtlichen Befugnisse überschritten worden wären, wäre von der (Teil-)Nichtigkeit dieser Vereinbarung (§ 879 ABGB) auszugehen. Dafür lässt sich insb der – vor allem im Patient:innenschutz bestehende (vgl nur Krauskopf in Neumayr/Resch/Wallner [Hrsg], GmundKomm2 § 4 ZÄG Rz 13 [Stand 1.1.2022, rdb.at]) – Schutzzweck der berufsrechtlichen Vorschriften ins Treffen führen. Der Zahnarzt hätte die Behandlung folglich abermals selbst (allenfalls unter bloßer Einbindung der Assistentin als Hilfsperson) ordnungsgemäß zu erbringen gehabt.

Wäre demgegenüber (was allerdings nicht anzunehmen ist) vertraglich ausdrücklich eine Behandlung ausschließlich durch die Assistentin vereinbart oder dies zumindest vom Kl so angenommen worden, wäre wohl von der Gesamtnichtigkeit des Behandlungsvertrages oder dessen Anfechtbarkeit wegen Irrtums auszugehen. Die erbrachten Leistungen wären damit bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln (§ 877 ABGB). Der Kl könnte also das geleistete Honorar zurückfordern, wobei er sich unter Beachtung des Schutzzweckes des Berufsrechts (und der Wertungen des § 1174 ABGB) mE auch die angemessenen Kosten einer unterstellten ordnungsgemäßen Behandlung nicht anrechnen lassen müsste (vgl allg zur Beachtung des Schutzzweckes hinsichtlich der Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nur Rummel in Rummel/Lukas [Hrsg], ABGB4 § 877 Rz 2 [Stand 1.11.2014, rdb.at]; Krejci in Rummel/Lukas, ABGB4 § 879 Rz 530 [Stand 1.11.2014, rdb.at]).

Nur ergänzend sei abschließend darauf hingewiesen, dass § 18 ZÄG (anders als das ÄrzteG) auch die zahnärztlichen Aufklärungspflichten sehr detailliert regelt. Aufzuklären ist nach Abs 2 leg cit explizit auch darüber, welche Behandlungskosten (für berufsrechtlich zulässige Behandlungen) vom Krankenversicherungsträger übernommen werden und welche von dem:der Patienten:Patientin zu tragen sind. Wird die Aufklärungspflicht verletzt, droht gem § 89 Abs 5 Z 2 ZÄG eine Verwaltungsstrafe. Zu weiteren Rechtsfolgen unterlassener oder fehlerhafter Aufklärung enthält das ZÄG keine Regelungen. 304 Eine Nichtigkeit des Behandlungsvertrages und einen damit verbundenen Verlust des Honoraranspruches hat der OGH in einer E – hinsichtlich eines (vermeintlich) unvollständigen Kostenvoranschlages – verneint (OGH 3 Ob 223/09d JBl 2010, 649 [Resch]). Schon nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen hat die schuldhafte Verletzung (vor)vertraglicher Aufklärungspflichten jedoch – freilich grundsätzlich nur auf den Ersatz des Vertrauensschadens gerichtete – Schadenersatzansprüche (insb aus culpa in contrahendo) zur Folge (vgl RIS-Justiz RS0016374). Versicherte dürfen hierbei wohl auch losgelöst von der Sonderregelung des § 18 ZÄG eine Aufklärung erwarten, falls bestimmte Behandlungsmaßnahmen keiner sozialversicherungsrechtlichen Kostenerstattung zugänglich sind.