20

Wiener Bedienstetengesetz: „Anspruch auf Eltern-Karenz“ entsteht erst mit Ausübung des Gestaltungsrechts durch den Dienstnehmer

GREGOR KALTSCHMID
§§ 53, 59 W-BedG

Der Kl war bei der Bekl ab 14.1.2019, zunächst befristet bis 13.1.2020, ab 14.1.2020 unbefristet beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist das Wiener Bedienstetengesetz (W-BedG) anzuwenden.

Am 10.1.2019 wurde die Tochter des Kl geboren. Der Kl beantragte am 3.10.2019 einen Karenzurlaub gem § 68 W-BedG vom 16.12.2019 bis 14.2.2020 zur Betreuung seiner Tochter, der ihm auch gewährt wurde.

Am 27.7.2020 beantragte der Kl eine Teilzeitbeschäftigung gem § 59 W-BedG ab 1.11.2020 zur Betreuung seiner Tochter im Ausmaß von 32 Wochenstunden bei einer 4-Tage-Woche von Dienstag bis Freitag. Mit Mail vom 23.10.2020 teilte die Dienststellenleitung dem Kl mit, dass „wie bereits mitgeteilt“ sein Antrag auf Teilzeitbeschäftigung „aus dienstlichen Gründen in der vorliegenden Form nicht genehmigungsfähig“ sei. Mit Schreiben vom 9.4.2021, dem Kl zugegangen am 16.4.2021, kündigte die Bekl das Dienstverhältnis zum 30.6.2021.

Der Kl begehrt, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, in eventu das aufrechte Fortbestehen des Dienstverhältnisses über den 30.6.2021 hinaus festzustellen. Die Kündigung sei aufgrund des von ihm in Anspruch genommenen Karenzurlaubs gem § 68 W-BedG, der de facto eine Eltern-Karenz iSd § 53 W-BedG gewesen sei, erfolgt. Darin liege eine Diskriminierung wegen des Geschlechts, die zur Anfechtung der Kündigung berechtige. Außerdem habe er einen Antrag auf Elternteilzeit gestellt und genieße daher Kündigungsschutz gem § 129 Abs 6 und 7 W-BedG.

Die Bekl bestreitet und wendet zusammengefasst ein, die Kündigung sei weder wegen des Karenzurlaubs noch wegen des Antrags auf Elternteilzeit, sondern wegen einer mangelhaften Arbeitsleistung des Kl erfolgt.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels Rsp zu § 59 Abs 2 W-BedG zu.

Der OGH ließ die Revision zu, erachtete diese aber als nicht berechtigt und führte aus:

Nach § 59 Abs 2 W-BedG in der hier anzuwendenden Fassung vor der 2. Dienstrechts-Novelle 2023, LGBl 2023/16, hat die bzw der Bedienstete einen Anspruch 32 auf Teilzeitbeschäftigung nach Abs 1 dieser Bestimmung, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert hat; diese Wartefrist gilt nicht, wenn die bzw der Bedienstete für dieses Kind Anspruch auf Eltern-Karenz gem § 53 W-BedG gehabt hat.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der vom Kl in Anspruch genommene Karenzurlaub nach § 68 W-BedG diese Voraussetzung nicht erfüllt und eine Eltern-Karenz iSd § 53 W-BedG von ihm nicht beantragt und nicht in Anspruch genommen wurde. Weiters erfüllte der Kl zum Zeitpunkt des beabsichtigten Antritts der Teilzeitbeschäftigung die dreijährige Wartefrist nicht. Zu prüfen bleibt daher, wie die Formulierung „wenn die bzw der Bedienstete für dieses Kind Anspruch auf Eltern-Karenz gem § 53 W-BedG gehabt hat“, zu verstehen ist und ob der Kl diese Voraussetzung erfüllt.

Nach § 53 Abs 1 W-BedG idF LGBl 2017/33 gebührt der bzw dem Bediensteten auf Antrag eine Eltern-Karenz (gegen Entfall der Bezüge) bis zum Ablauf von zwei Jahren nach der Geburt des Kindes. Die Eltern-Karenz kann einmalig in der Dauer von einem Monat aus Anlass des Wechsels der Betreuungsperson durch beide Elternteile gleichzeitig in Anspruch genommen werden; dies gilt auch, wenn der Anspruch auf (Eltern-)Karenz eines Elternteiles auf einer gleichartigen Rechtsvorschrift beruht. Abs 4 leg cit sieht vor, dass die Eltern-Karenz gem Abs 1 und 2 frühestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes beginnt und mindestens zwei Monate betragen muss. Nach Abs 5 ist der Antrag auf Eltern-Karenz

1. bei einer Eltern-Karenz gemäß Abs 1 und 2 spätestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes,

3., wenn die Gemeinde Wien oder die/der AG des anderen Eltern-, Adoptiveltern- oder Pflegeelternteiles eine Teilzeitbeschäftigung gem § 59 dieses Gesetzes oder anderen gleichartigen Rechtsvorschriften ablehnt, spätestens acht Wochen nach der Ablehnung zu stellen. Möchte die bzw der Bedienstete im Anschluss an eine nach Abs 1 bis 3 oder nach anderen gleichartigen Rechtsvorschriften in Anspruch genommene (Eltern-)Karenz des anderen Elternteiles oder im Anschluss an eine nach § 59 oder nach anderen gleichartigen Rechtsvorschriften in Anspruch genommene Teilzeitbeschäftigung des anderen Elternteiles Eltern-Karenz nach Abs 1 bis 3 in Anspruch nehmen, kann sie bzw er diese bis spätestens drei Monate, dauert die (Eltern-)Karenz oder die Teilzeitbeschäftigung jedoch weniger als drei Monate, bis spätestens zwei Monate vor Ende der (Eltern-)Karenz oder der Teilzeitbeschäftigung des anderen Elternteiles beantragen.

Die Regelung zur Teilzeitbeschäftigung zur Betreuung eines Kindes nach § 59 W-BedG sollte nach den Gesetzesmaterialien „weitgehend“ § 12 VBO 1995 entsprechen. Eine § 12 VBO 1995 im Wesentlichen wörtlich entsprechende Bestimmung findet sich auch in § 28 DO 1994. Dabei sollte jeweils eine Anpassung der für die Wiener Gemeindebediensteten geltenden Rechtslage an jene des Bundes und damit an das MSchG und VKG erfolgen.

Nach herrschender Ansicht handelt es sich beim Anspruch auf Karenz nach dem MSchG bzw VKG, denen § 53 W-BedG nachgebildet ist, um ein einseitiges Gestaltungsrecht. Gestaltungsrechte verleihen ihrem Inhaber die Rechtsmacht, durch einseitige (außergerichtliche oder gerichtliche) Willenserklärung ohne Mitwirkung eines anderen eine Veränderung der bestehenden Rechtslage herbeizuführen, Rechte zum Entstehen oder zum Erlöschen zu bringen oder zu ändern.

Das Gestaltungsrecht wird in diesem Fall durch das an den AG gerichtete Verlangen auf Karenzierung ausgeübt. Das Gesetz ist in diesem Umfang einseitig zwingend, da die Ausübung des Gestaltungsrechts und die Bestimmung über Ausmaß und Dauer der Karenz im Ermessen des/der AN liegt. Diese Grundsätze gelten auch für die Eltern-Karenz nach § 53 W-BedG.

Das bedeutet aber, dass der „Anspruch auf Eltern-Karenz“ nach § 53 W-BedG erst mit der Ausübung des Gestaltungsrechts entsteht. Dem entspricht auch, dass der Antrag auf Eltern-Karenz nur in einem engen zeitlichen Rahmen gestellt werden kann. Wird die Frist nicht eingehalten oder konnte sie etwa im Fall des § 53 Abs 5 Z 1 W-BedG, weil das Kind mehr als acht Wochen vor Beginn des Dienstverhältnisses geboren wurde, von vornherein nicht eingehalten werden, hat der DN keinen Anspruch auf Eltern-Karenz, auch wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt wären.

Dem Argument des Revisionswerbers, nach den Regelungen des MSchG und des VKG sei die Inanspruchnahme von Elternteilzeit unabhängig davon möglich, ob zuvor Karenz in Anspruch genommen wurde, ist entgegenzuhalten, dass dies auch im Anwendungsbereich des § 59 W-BedG so ist. Bedienstete, die zuvor Eltern- Karenz in Anspruch genommen haben, werden jedoch durch den Entfall der Wartezeit begünstigt, wodurch der Landesgesetzgeber den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben nach einer Karenz erleichtern will. Die in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt nicht vor.

Das bedeutet, dass es zu einem Entfall der dreijährigen Wartefrist nur kommt, wenn die Voraussetzungen einer Eltern-Karenz nach § 53 W-BedG vorlagen und der DN eine solche auch beantragt hat. Das trifft auf den Kl unstrittig nicht zu. Damit hatte der Kl keinen Anspruch auf Teilzeit nach § 59 W-BedG und daher auch keinen Kündigungsschutz nach § 129 Abs 6 und 7 W-BedG.

Der insgesamt nicht berechtigten Revision des Kl war daher nicht Folge zu geben.33