101Vorzeitiger Austritt wegen Gesundheitsgefährdung – Grundsätzlich nur bei Fehlen eines zumutbaren Ersatzarbeitsplatzes berechtigt
Vorzeitiger Austritt wegen Gesundheitsgefährdung – Grundsätzlich nur bei Fehlen eines zumutbaren Ersatzarbeitsplatzes berechtigt
Die Kl war beim bekl Verband von 1.8.1996 bis zu ihrem vorzeitigen Austritt am 8.2.2023 als Büroangestellte beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis kommt kein KollV zur Anwendung. Im schriftlichen Dienstvertrag vom 5.8.1996 wurde die Anwendung des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 vereinbart, soweit dieses nicht mit den arbeitsrechtlichen Bestimmungen für Angestellte im Widerspruch steht.
Die Kl begehrte zuletzt Kündigungsentschädigung im Ausmaß von fünf Monatsentgelten, Abfertigung im Ausmaß von neun Monatsentgelten sowie Schadenersatz von € 5.500,-. Weiters begehrte sie die Feststellung, dass ihr der Bekl für sämtliche Schäden, die im Zusammenhang mit ihrer psychischen Beeinträchtigung stünden und durch Mobbinghandlungen während ihres Dienstverhältnisses beim Bekl hervorgerufen worden seien, hafte. Die Kl sei berechtigt vorzeitig aus dem Dienstverhältnis ausgetreten, weil ihr die Fortsetzung des Dienstverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen, resultierend aus der psychischen Belastung 245 an ihrem Arbeitsplatz, nicht mehr zumutbar gewesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass die Kl ihren Vorgesetzten während des Dienstverhältnisses nicht mitteilte, dass sie in der neuen Abteilung mit einem neuen unmittelbaren Vorgesetzten einem massiven Mobbing ausgesetzt gewesen sei. Für die Vorgesetzten der Kl war auch nicht erkennbar, dass sie psychisch belastet war. Die Kl hat ihre Vorgesetzten weder über ihren Gesundheitszustand noch über die aus ihrer Sicht belastende Arbeitssituation informiert. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Der OGH erachtete die außerordentliche Revision der Kl für zulässig, jedoch nicht berechtigt und führte aus:
Gem § 84 Abs 2 Z 6 VBG 1948 besteht der Anspruch auf Abfertigung nicht, wenn der DN ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt. Ein wichtiger Grund, der den DN zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigt, liegt gem § 34 Abs 5 VBG 1948 insb vor, wenn der Vertragsbedienstete zur Dienstleistung unfähig wird oder die Dienstleistung ohne Schaden für seine Gesundheit nicht mehr fortsetzen kann.
Der Angestellte, der wegen Dienstunfähigkeit oder Gefährdung seiner Gesundheit durch die von ihm zu verrichtende Tätigkeit aus dem Dienstverhältnis vorzeitig austreten will, ist verpflichtet, den DG vor Ausübung des Austrittsrechts auf seine Dienstunfähigkeit oder Gesundheitsgefährdung aufmerksam zu machen, damit dieser seiner auf der Fürsorgepflicht beruhenden Verpflichtung, dem DN allenfalls einen anderen, geeigneten Arbeitsplatz zuzuweisen, nachkommen kann.
Diese Aufklärungspflicht besteht nach der Rsp jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn diese Umstände dem DG ohnehin bekannt sind oder die Dienstunfähigkeit oder die gesundheitliche Gefährdung des Angestellten durch Zuweisung einer anderen Tätigkeit im Rahmen der übernommenen dienstvertraglichen Pflichten ohnehin nicht beseitigt werden kann.
Die Revisionswerberin argumentiert zunächst damit, dass der Bekl aufgrund der vor der Austrittserklärung mit ihr geführten Gespräche Kenntnis über ihre Gesundheitsgefährdung gehabt, diese aber nicht ernst genommen habe. Davon kann nach den Feststellungen aber nicht ausgegangen werden.
Unter Bezugnahme auf die -E OGH9 ObA 43/16p vom 21.4.2016 bekämpft die Revision der Kl die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass es auf die Frage der Berechtigung des vorzeitigen Austritts gem § 34 Abs 5 VBG 1948 gar nicht ankäme, weil sie ihre Aufklärungspflicht verletzt habe. Aus ihrem Wunsch, wieder mit ihrem früheren Vorgesetzten in dessen neuer Abteilung zusammenzuarbeiten, sei zu folgern, dass es für sie im Betrieb des Bekl einen für sie zumutbaren Ersatzarbeitsplatz gegeben hätte. Nach Einholung des von ihr beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens hätte festgestellt werden können, dass sie ohne Schaden für ihre Gesundheit das Dienstverhältnis nicht fortsetzen hätte können und auch ein Ersatzarbeitsplatz keine Abhilfe geschaffen hätte.
Zutreffend ist, dass der OGH im Einklang mit seiner stRsp in der E 9 ObA 43/16p ausgeführt hat, dass die Verletzung der den DN treffenden Aufklärungspflicht noch nicht jedenfalls zur Folge hat, dass der vorzeitige Austritt des DN unberechtigt erfolgt ist. Diese Verpflichtung des DN besteht dann nicht, wenn dessen Verweisung auf einen anderen Arbeitsplatz im Rahmen des Dienstvertrags nach den gegebenen Umständen überhaupt nicht in Betracht kommt. Genau darauf hat sich der Kl im Verfahren 9 ObA 43/16p auch gestützt.
Im vorliegenden Fall hat die Kl im erstinstanzlichen Verfahren aber nicht vorgebracht, dass es im Betrieb des Bekl keinen ihr zumutbaren Ersatzarbeitsplatz gäbe. Vielmehr begründete sie ihren vorzeitigen Austritt damit, dass sie ihre Tätigkeit in der neuen Abteilung unter dem neuen unmittelbaren Vorgesetzten aus gesundheitlichen Gründen, resultierend aus der psychischen Belastung an ihrem neuen Arbeitsplatz, nicht mehr fortsetzen könne. Genau deshalb sei sie mit dem Wunsch, wieder eine Tätigkeit unter ihrem bisherigen unmittelbaren Vorgesetzten zu verrichten, an den Bekl herangetreten.
Wenn die Kl nun erstmals im Revisionsverfahren behauptet, im Unternehmen des Bekl hätte es keinen Ersatzarbeitsplatz gegeben, an dem sie ihre dienstvertraglich vereinbarte Tätigkeit ohne Schaden für ihre Gesundheit fortsetzen hätte können, verstößt sie gegen das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot des § 482 ZPO. Da nach der Rsp die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Austrittsgründe den DN trifft, trifft diesen auch für diese – seine Verletzung der Aufklärungspflicht rechtfertigenden – Umstände die Behauptungs- und Beweispflicht.
Da das Klagebegehren daher auch dann nicht berechtigt ist, wenn die Kl ihre konkret ausgeübte Tätigkeit nicht ohne Gefährdung ihrer Gesundheit fortsetzen hätte können, bedarf es keiner weiteren Feststellungen zur Frage eines möglichen, der Kl zumutbaren Ersatzarbeitsplatzes. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.246