89Kein Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung wegen Krankheit
Kein Rücktritt von einer Zeitausgleichsvereinbarung wegen Krankheit
Der Kl ist Angestellten-BR im U*, einer Krankenanstalt. AN der Bekl erhalten für geleistete Überstunden und sonstige Mehrarbeit in der Krankenanstalt ein Zeitausgleichsguthaben, das in der Folge nach den gegebenen Möglichkeiten abgebaut werden kann.
Mit Klage gem § 54 Abs 1 ASGG möchte der kl BR festgestellt haben, dass den bei der Bekl angestellten AN im Falle ihrer Erkrankung ein Recht zum Rücktritt von einer mit der Bekl geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukommt, wenn der Zeitausgleich 224 – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge und ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob AN im Falle ihrer Erkrankung ein Recht zum Rücktritt von einer mit dem AG geschlossenen Zeitausgleichsvereinbarung zukomme, insb wenn der Zeitausgleich den Zweck habe, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen, keine Rsp des OGH vorliege.
Die Revision war laut OGH zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Nach der Rsp hat die Vereinbarung über Zeitausgleich zwar auch Entgeltcharakter („bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht“), führt aber nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. So wird (auch) die Gewährung einer Ersatzruhe für Nachtdienste im Allgemeinen nicht als „zusätzliches“ Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft qualifiziert, sondern als Frage der Verteilung der Arbeitszeit. Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich für Überstunden haben keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Auch die Zeit des Krankenstands kann daher zur Abdeckung des Überstundenguthabens herangezogen werden. Dies wird damit begründet, dass nicht der Unfall (die Krankheit) des Kl in der Freistellungsphase den Entfall der Arbeitsleistung bewirkte, sondern die mangelnde Verpflichtung des Kl zur Arbeitsleistung. Der AN kann nämlich nur in jenen Zeiten durch Krankheit oder Unfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert sein, in denen eine Arbeitspflicht des DN besteht.
Es ist ebenfalls stRsp, dass der Zeitausgleich zwar ähnliche Zwecke wie der Erholungsurlaub verfolgt, allerdings der Erholungszweck beim Zeitausgleich weniger von Bedeutung ist als beim Urlaub. Eine allfällige analoge Anwendbarkeit des Urlaubsrechts beschränkt sich daher darauf, dass auch der Zeitausgleich individuell zu vereinbaren ist.
Auch wenn bei dem nach Art V § 3 Abs 1 Satz 1 Z 2 NSchG-Novelle 1992 erworbenen Zeitguthaben, das als Zeitausgleich für die Erschwernisse der Nachtschwerarbeit durch das Pflegepersonal in Krankenanstalten gedacht ist, der Erholungszweck im Vordergrund steht, kommt es letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. In diesen Fällen können aber die Grundsätze des Urlaubsrechts über den Zeitpunkt des Urlaubsantritts auf die Frage des Zeitpunkts der Inanspruchnahme des Zeitausgleichs angewendet werden.
In der Literatur bestehen geteilte Meinungen zur Frage, ob ein Rücktritt (und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen) von einer einmal getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung möglich ist.
Der erkennende Senat des OGH vertritt die Rechtsauffassung, dass ein Rücktritt des AN von einer zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Zeitausgleichsvereinbarung wegen einer Erkrankung des AN (auch dann) nicht zulässig ist, wenn der Zeitausgleich – etwa beim Ausgleich von Plusstunden, die im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus entstanden sind – auch den Zweck hat, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Die gegenteilige Rechtsansicht im Schrifttum argumentiert im Wesentlichen mit dem beim Zeitausgleich relevanten Erholungszweck. Der OGH hat jedoch bereits mehrmals festgehalten, dass der Erholungszweck beim Zeitausgleich weniger von Bedeutung ist als beim Urlaub. Der primäre Zweck beim Zeitausgleich liegt nicht in der Erholung, sondern in einer weitgehenden Annäherung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die Normalarbeitszeit. Auch wenn beim Ausgleich von Plusstunden, die die vom Feststellungsbegehren betroffenen AN der Bekl im Zuge von Nachtarbeit oder infolge Arbeit über die maßgebliche Wochenarbeitszeit hinaus geleistet haben, der Erholungszweck eher in den Vordergrund rücken mag, kommt es im Ergebnis nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. Es wäre zudem ein Wertungswiderspruch, würde man eine Unterbrechung des bereits zeitlich fixierten Zeitausgleichs wegen einer Erkrankung des AN verneinen, einen Rücktritt des AN von der konkreten Verbrauchsvereinbarung aus diesem Grund aber bejahen.