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Entziehung des Rehabilitationsgeldes: Zugeständnis des Berufsschutzes durch PVA ist der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen

JOHANNA RACHBAUER

Der 1979 geborene Kl hat im Jahr 1999 die Lehrlingsausbildung Zentralheizungsbauer mit Lehrabschlussprüfung beendet und in diesem Beruf ab 1.3.2007 37 Monate gearbeitet. 2014 schloss der Kl die Ausbildung zum Pflegehelfer ab. Von Februar 2014 bis Juli 2019 war er unter der Bezeichnung Fach-Sozialbetreuung mit dem Ausbildungsschwerpunkt Altenarbeit „A“ („FSB-A“) tätig. Eine mehrjährige Ausbildung zum Fachsozialbetreuer Altenarbeit steht nicht fest. 2022 sprach die Bekl bescheidmäßig aus, dass Anspruch auf Rehabilitationsgeld bestehe. Mit Bescheid vom 12.10.2023 entzog die Bekl dem Kl das Rehabilitationsgeld mangels weiterer vorübergehender Berufsunfähigkeit. Der Kl begehrte die Weitergewährung des Rehabilitationsgeldes, weil sich der Gesundheitszustand nicht gebessert habe, und berief sich auf seinen Berufsschutz.

Das Leistungskalkül des Kl ist durch diverse Einschränkungen stark begrenzt. Der Gesundheitszustand war laut Gutachter der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) zum Gewährungszeitpunkt noch nicht so weit stabilisiert, dass der KI am Arbeitsplatz eingesetzt hätte werden können. Zum Entziehungszeitpunkt sind dem KI jedoch bei Einhaltung des Leistungskalküls noch Berufe am allgemeinen Arbeitsmarkt möglich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und verneinte einen Berufsschutz. Der Kl habe zwar die Ausbildung zum Pflegehelfer abgelegt, diese Tätigkeit stelle aber weder eine Angestelltentätigkeit noch eine angelernte Tätigkeit dar. Selbst bei einer Aufschulung zur Fachsozialbetreuung Altenarbeit würde diese nicht jedenfalls einen Berufsschutz begründen, sondern müsse ein einem Lehrberuf entsprechender Umfang der Ausbildung vorliegen, was vom Kl nachgewiesen hätte werden müssen. Da der Kl in der Lage sei, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, sei vorübergehende Berufsunfähigkeit zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung nicht Folge, wogegen der Kl außerordentliche Revision einlegte.

Der OGH entschied, dass die Revision zulässig und iSd Aufhebungsantrags berechtigt ist.

Einleitend hält der OGH fest, dass bei Berufstätigkeiten, denen ein standardisiertes Ausbildungsprogramm zugrunde liegt, die aber keine Lehrberufe sind, auf eine (mit einem Lehrberuf) vergleichbare Dauer und auf eine quantitativ vergleichbare Zahl von Unterrichtseinheiten abgestellt wird. Er verweist zunächst auf seine bisherige Rsp, wonach speziell im Bereich der Pflegehilfe bzw der Altenfachbetreuung bei einer durchschnittlichen Ausbildungsdauer einer Pflegehelferin von einem Jahr und 1.600 Stunden und einer Zusatzausbildung zur Altenfachbetreuerin im Ausmaß von 250 (theoretischen) Unterrichtseinheiten kein Berufsschutz vorliegt. Dies wurde damit begründet, dass mit einer insgesamt nur knapp 14-monatigen theoretischen und praktischen Ausbildung (im Gesamtausmaß von 1.850 Stunden) kein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau erreicht werden könne. Demgegenüber bejahte der OGH den Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG bei einer zweijährigen Ausbildung mit einem Stundenausmaß von 2.400 Stunden bzw 2.208 Stunden.

Für die Beurteilung eines Berufsschutzes des Kl sind zunächst die Ausbildungsvorschriften des Oö Sozialberufegesetzes (Oö SBG, LBGl 2008/63) maßgebend. Die darin geregelte „FSB-A“ integriert die Ausbildung in der Pflegehilfe nach den gesundheits- und krankenpflegerechtlichen Bestimmungen des Bundes und ergänzt diese um zumindest 365 Unterrichtseinheiten Theorie sowie 400 Stunden Praxis. Die Ausbildung ist auf zumindest zwei Ausbildungsjahre aufzuteilen. Eine Ausbildung mit diesem Stundenausmaß würde einen Berufsschutz begründen. Selbst wenn man die Dauer einer theoretischen Unterrichtseinheit mit (nur) 45 Minuten annehmen würde, ergäbe sich eine Dauer der theoretischen Ausbildung von 273,75 Stunden. Mit den weiters vorgeschriebenen 400 Stunden Praxis würde die Ergänzungsausbildung somit insgesamt zumindest 673,75 Stunden betragen. Zusammen mit den für die Ausbildung zum Pflegehelfer erforderlichen 1.600 Stunden ergäbe dies ein Stundenausmaß von zumindest 2.273,75 Stunden über mehr als zwei Jahre, was ein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau verleihen würde (OGH 21.7.2009, 10 ObS 74/09v).

Die Vorinstanzen zogen demgegenüber (nur) die Oö Altenfachbetreuungs- und Heimhilfe-Verordnung (LGBl 2004/70) heran, welche im Zeitpunkt des vom Kl behaupteten Abschlusses seiner (Ergänzungs-)Ausbildung noch anwendbar war. Sie sah für die theoretische Ergänzungsausbildung zum Altenfachbetreuer oder zur Altenfachbetreuerin (lediglich) eine Ausbildungsdauer von 250 Unterrichtseinheiten vor, was als Zusatzausbildung zur Ausbildung zum Pflegehelfer oder zur Pflegehelferin keinen Berufsschutz begründen würde.

Im vorliegenden Fall ist daher wesentlich, welche (Zusatz-)Ausbildung der Kl konkret abgeschlossen hat. Der Kl behauptete bereits im Verfahren erster Instanz, dass er sich 2012 bis 2014 zum „Altenbetreuer“ „umschulen“ lassen habe. Damit behauptete er jedenfalls eine mehrjährige (Zusatz-)Ausbildung, deren Ausmaß über jenes nach der Oö Altenfachbetreuungs- und Heimhilfe-Verordnung hinausgeht und ein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau 257 verlieh. Die Bekl behauptete in der Klagebeantwortung überdies, dass der Kl eine qualifizierte Tätigkeit iSd § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt habe und ging von einem Verweisungsfeld (ua) als Fachsozialbetreuer Altenbetreuung aus. Gleichzeitig legte sie eine Stellungnahme aus dem Verwaltungsakt vor, nach der eine Ausbildung des Kl zum Fachsozialbetreuer Altenpflege (Abschluss 14.4.2014) vorliege. Damit gestand die Bekl zu, dass der Kl Berufsschutz genießt.

Beim Begriff des Berufsschutzes handelt es sich zwar um einen einem Tatsachengeständnis nach den §§ 266 f ZPO grundsätzlich nicht zugänglichen Rechtsbegriff. Nach der Rsp kann ein Geständnis aber auch in Bezug auf Rechte und Rechtsverhältnisse abgelegt werden, worin das Geständnis eines Komplexes von Tatsachen liegen kann, die dem zugestandenen Recht oder Rechtsverhältnis zugrunde liegen. Für Personen, die mit dem Pensionsversicherungsrecht vertraut sind, ist der Rechtsbegriff Berufsschutz geläufig und eindeutig, dass insoweit die dem Rechtsbegriff zugrunde gelegten Tatsachen als zugestanden gelten. Die Bekl gestand somit zu, dass der Kl im Jahr 2014 eine berufsschutzbegründende Ausbildung als Fachsozialbetreuer Altenpflege iSd § 16 Oö SBG abschloss und in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten qualifiziert erwerbstätig war.

Zugestandene Tatsachen sind – soweit es sich nicht um einen der Ausnahmsfälle handelt, in denen kein bindendes Tatsachengeständnis möglich ist – ohne weiteres der Entscheidung zugrunde zu legen. Die Verwertung eines im Verfahren erster Instanz erfolgten Zugeständnisses kann auch noch in dritter Instanz erfolgen. Es ist daher ein Berufsschutz des Kl als Gas-Wasser-Heizungsinstallateur und in der „FSB-A“ zu bejahen. Dem steht auch die vom Erstgericht zur (Zusatz-)Ausbildung des Kl getroffene Negativfeststellung nicht entgegen, weil dem Geständnis aufgrund der Dispositionsmaxime gegenüber einer solchen Vorrang zu geben, diese somit unbeachtlich ist.

Das Erstgericht traf keine Feststellungen, die die Beantwortung der Frage zuließen, ob dem Kl eine Tätigkeit in den für ihn in Betracht kommenden Verweisungsberufen (wieder) zumutbar ist, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben sind und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen ist. Sollte das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren eine Verweisbarkeit des Kl feststellen, wären noch Feststellungen zum Leistungskalkül des Kl im Zeitpunkt der Gewährung zu treffen. Entscheidend für die Frage, ob eine die Entziehung rechtfertigende Besserung des Gesundheitszustands eingetreten ist, wäre nämlich die Sachlage, wie sie im Zeitpunkt der Zuerkennung objektiv vorlag, und nicht jene, welche subjektiv angenommen wurde.