110Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Nichtaufwertung der letzten Gesamtgutschrift
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Nichtaufwertung der letzten Gesamtgutschrift
Der Umstand, dass nach § 12 Abs 3 Z 2 APG im Stichtagsjahr keine Aufwertung der Gesamtgutschrift des vergangenen Kalenderjahres erfolgt, bewirkt angesichts des weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums insb bei Beurteilung sozialer Bedarfslagen und der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen knüpfenden sozialen Maßnahmen keine Verfassungswidrigkeit.
Sind geleistete Beiträge kein angespartes Guthaben für die eigene Pension, besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit, diese (bzw das Gesamtguthaben) jedenfalls jährlich aufzuwerten.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe der der Kl gebührenden Alterspension. Mit Bescheid anerkannte die bekl Pensionsversicherungsanstalt gegenüber der 1963 geborenen Kl den Anspruch auf Alterspension ab 1.9.2023 in Höhe von € 4.029,21 brutto monatlich.
Mit ihrer Klage begehrt die Kl die Gewährung einer Alterspension in der Höhe, die sich ohne Anwendung der Regelung des § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG errechne. Der dort normierte Ausschluss der Aufwertung der Gesamtgutschrift des letzten Kalenderjahres vor dem Pensionsantritt sei verfassungswidrig, weil gleiche Pensionsbeiträge ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt würden.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Nach der stRsp des VfGH komme dem Gesetzgeber bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Kl keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Für die Pension nach dem Pensionskonto bekommt der Versicherte für jedes Jahr Teilgutschriften (1,78 % der Beitragsgrundlagensumme) ausgewiesen, die zu einer Gesamtgutschrift addiert werden. Diese Gesamtgutschrift wird am 1.1. eines jeden Jahres mit der Aufwertungszahl (§ 108a ASVG) multipliziert und dazu wiederum die neue Teilgutschrift (für dieses Kalenderjahr) hinzugerechnet. Die (aktuelle) Gesamtgutschrift ergibt sich daher aus der Summe der aufgewerteten Gesamtgutschrift des vorangegangenen und der Teilgutschrift des derzeitigen Kalenderjahres […].
Die zum Stichtag bestehende Gesamtgutschrift geteilt durch 14 ergibt dann die monatliche Bruttopension (§ 5 Abs 1 APG). In dem Kalenderjahr, in das der Stichtag fällt, hat gemäß § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG allerdings keine Aufwertung der Gesamtgutschrift des vorangegangenen Kalenderjahres zu erfolgen.
2. Der Klägerin ist darin beizupflichten, dass es durch die Aufwertung zu einer „gewissen Valorisierung“ kommt, weil sich die vorgesehene Anpassung an der Entwicklung der durchschnittlichen Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§ 108a Abs 2 AVSG), vereinfacht also an der „Lohnsteigerung“ orientiert […]. Der Umstand, dass nach § 12 Abs 3 Z 2 APG im Stichtagsjahr keine Aufwertung der Gesamtgutschrift des vergangenen Kalenderjahres erfolgt, bewirkt angesichts des weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums insbesondere bei Beurteilung sozialer Bedarfslagen und der Ausgestaltung 259 der an diese Bedarfslagen knüpfenden sozialen Maßnahmen […] aber keine Verfassungswidrigkeit:
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist in der Sozialversicherung und vor allem in der Pensionsversicherung der Versicherungsgedanke zurückgedrängt. Es gilt innerhalb einer Solidargemeinschaft nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung. Vielmehr sind die Grundsätze der Einkommens- und der Risikosolidarität bestimmend, woraus folgt, dass es in manchen Fällen trotz Leistung von (höheren) Pflichtbeiträgen zu keiner (höheren) Versicherungsleistung kommt […].
Darauf aufbauend hat der Verfassungsgerichtshof zu G 186/02 ua, VfSlg 16.764 (ErwGr 3.1.1.), und G 197/2023 ua (Rz 207) betont, dass mit den Beiträgen zur gesetzlichen Pensionsversicherung jeweils „nur“ die laufenden Pensionen der Leistungsbezieher finanziert, nicht aber Ansprüche der Beitragszahler „angespart“ werden. Es gelten grundsätzlich daher nicht versicherungsmathematische Grundsätze, sondern das Prinzip des sozialen Ausgleichs. Die Verpflichtung zur Beitragszahlung (welche an sich einen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentumsrechts darstellt) ist im Rahmen dieses sogenannten „Generationenvertrags“ unter dem Gesichtspunkt sachlich zu rechtfertigen, dass ein der Versicherungsgemeinschaft angehörender Beitragszahler im Versicherungsfall auch selbst durch dieses System jedenfalls so weit geschützt wird, dass er in Abhängigkeit vom Ausmaß seiner Beitragszahlungen grundsätzlich eine nicht außer Verhältnis zu seinem früheren Erwerbseinkommen stehende Versorgung für eben dieselben Versicherungsfälle erwarten kann.
2.2. Zwar ist richtig, dass diese Rechtsprechung nicht zur Aufwertung der Gesamtgutschrift (§ 12 Abs 3 Z 2 APG iVm § 108a ASVG), sondern der Pensionsanpassung (§ 108h ASVG) erging. Auf die darin referierten Grundlagen des Systems der gesetzlichen Pensionsversicherung sowie die daraus resultierenden Konsequenzen wirkt sich das aber nicht aus: Sind die geleisteten Beiträge kein angespartes Guthaben für die eigene Pension, besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit, diese (bzw das Gesamtguthaben) jedenfalls jährlich aufzuwerten. Der Verfassungsgerichtshof hat auch schon zum NVG 1972 betont, dass der Umstand, dass sich die Beitragsgrundlage des letzten Jahres einer aktiven Tätigkeit als Notar der Höhe nach nicht (mehr) auf einen in diesem Kalenderjahr anfallenden Pensionsanspruch auswirkt, verfassungsrechtlich unbedenklich ist (VfGH B 111/09 = VfSlg 18.786 [ErwGr II.2.5.2.] mwN). Der Versicherte hat vielmehr nur Anspruch auf eine „grundsätzlich nicht außer Verhältnis zu seinem früheren Erwerbseinkommen stehende Versorgung“. Dass eine solche durch die Anwendung des § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG im Anlassfall nicht (mehr) gewährleistet wäre, behauptet die Klägerin nicht und ist auch nicht zu sehen.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis zu G 197/2023 ua auch klargestellt, dass kein aus dem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums abgeleitetes Recht besteht, Sozialleistungen oder Pensionszahlungen irgendeiner Art oder Höhe zu erhalten, solange dies nicht im innerstaatlichen Recht vorgesehen ist (Rz 215).
2.4. Dem – ohnehin bloß als weiteres Indiz für die Verfassungswidrigkeit des § 12 Abs 3 Z 2 APG angeführten – Umstand, dass nur für die Pensionsneuzugänge in den Jahren 2024 und 2025 (§ 783 Abs 3 ASVG) sowie 2026 (§ 808 Abs 3 ASVG) „Schutzklauseln“ vorgesehen wurden, hat bereits das Erstgericht die ständige Rechtsprechung entgegengehalten, wonach es grundsätzlich in der rechtspolitischen Freiheit des Gesetzgebers liegt, festzulegen, wann eine neue Bestimmung zu gelten hat […]. Die Klägerin übergeht auch, dass die Aliquotierung des § 108h Abs 1a ASVG auch für sie abgemildert wurde (§ 775 Abs 6 ASVG).
3. Zusammenfassend teilt der Oberste Gerichtshof die geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht. Abgesehen davon, dass die Klägerin die Regelung des § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG als ungerecht empfindet, setzt sie sich mit der bereits von den Vorinstanzen dargelegten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs inhaltlich auch nicht näher auseinander (vgl RS0053889 [T12]). Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zeigt sie damit nicht auf […].
Gegenstand der E ist die Wertsicherung des Pensionskontos. Das Pensionskonto verbüchert für alle Versicherten ab dem Geburtsdatum 1.1.1955 den aktuellen Jahrespensionsanspruch als Gesamtgutschrift gem § 12 Abs 3 APG. Die Gesamtgutschrift setzt sich aus den einzelnen Teilgutschriften zusammen, die im Ausmaß von 1,78 % (sogenannter Kontoprozentsatz nach § 12 Abs 2 APG) des beitragspflichtigen Bruttoeinkommens auf dem Pensionskonto erworben werden. Damit enthält das Pensionskonto jedes pensionsversichertes Einkommen der Vergangenheit. Um eine Entwertung zu verhindern und die relative Einkommensposition abzusichern, unterliegen diese Beitragsgrundlagen, zusammengefasst als Gesamtgutschrift, einer Valorisierung mit der Aufwertungszahl gem § 108a ASVG. Die Aufwertungszahl eines Jahres beruht auf der Veränderung der durchschnittlichen Beitragsgrundlagen in der gesetzlichen PV. Das Pensionskonto ist daher mit der durchschnittlichen Einkommensentwicklung wertgesichert. Die Gesamtgutschrift am Pensionsstichtag, geteilt durch 14, ergibt die monatliche Pension, die Streitgegenstand der E war.
Die Bestimmung des § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG sieht eine Besonderheit in der Aufwertungssystematik vor. Im Stichtagsjahr hat nämlich keine Aufwertung der Gesamtgutschrift des vorangegangenen Kalenderjahres zu erfolgen. Damit beschäftigt sich auch die vorliegende E im Konkreten, in der die Kl eine Alterspension begehrte, die sich ohne Anwendung dieser Bestimmung errechnet, da sie verfassungswidrig sei. 260
Der OGH hegte gegen die Anwendung des § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG keine verfassungsrechtlichen Bedenken und wies die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück. Nach der stRsp des VfGH kommt dem Gesetzgeber bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Im Bereich der SV ist insb der Grundsatz von Einkommens- und Risikosolidarität bestimmend. Vor diesem Hintergrund besteht keine verfassungsrechtliche Vorgabe einer absoluten Wertsicherung aller eingezahlten Pensionsversicherungsbeiträge, womit auch der Ausgang der vorliegenden E nachvollziehbar ist.