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Kein Unfallversicherungsschutz auf vom Dienstgeber subventionierter London-Reise mit Belohnungscharakter

ELISABETH BISCHOFREITER

Der Kl ist als Kundenbetreuer bei einem Versicherungsunternehmen beschäftigt. Als einer der 14 erfolgreichsten Mitarbeiter wurde er eingeladen, an einer von seinem DG organisierten und finanzierten Reise nach London teilzunehmen. Insgesamt wurden 20 (von 200 lokalen) Mitarbeiter(n) des DG eingeladen; die Teilnahme war zwar erwünscht, aber nicht verpflichtend. Auf dem Programm der viertägigen Reise standen ua eine Pub-Tour samt Dinner, eine Führung durch London, der Besuch der Show „ABBA-Voyage“ samt Pre-Show-Dinner und die Besichtigung von Schloss Windsor. Einziger gemeinsamer Programmpunkt des dritten Tages war ein „Gala-Dinner“ am Abend, bei dem der Vorgesetzte des Kl einen Rückblick über das vergangene und einen Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr gab und Titel an Mitarbeiter verliehen wurden. Über Ersuchen seines Vorgesetzten kaufte der Kl am dritten Reisetag ein Geschenk für die Reiseleiterin und begab sich auf den Weg zu einem Pub, um sich mit seinen Kollegen zu treffen und von dort zurück zum Hotel zu gehen, von dem der Transfer zum Gala-Dinner erfolgten sollte. Beim Überqueren der Straße kam es zu einem Zusammenstoß mit einem E-Bike, durch den der Kl schwer verletzt wurde (Milzruptur dritten Grades, Ellenbogenfraktur, Perikarderguss und Polytrauma).

Die Vorinstanzen wiesen die auf Feststellung gerichtete Klage, dass die Verletzungen Folgen eines Arbeitsunfalles seien, ab. Die Reise nach London sei weder eine Dienstreise noch eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, sondern vielmehr eine vom DG subventionierte Freizeitgestaltung gewesen. Das Ersuchen des Vorgesetzten des Kl, ein Geschenk für die Reiseleiterin zu besorgen, stehe auch nicht in einem inneren Zusammenhang mit seinem Arbeitsvertrag. Der OGH erachtete die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung als nicht zulässig.

Der OGH führt begründend aus, dass nach der Rsp Dienstreisen (im unfallversicherungsrechtlichen Sinn) durch die versicherte Tätigkeit bedingte Reisen mit einem Ziel außerhalb des gewöhnlichen Tätigkeitsorts sind. Es ist zwar unerheblich, welcher Art der betriebliche (dienstliche) Grund der Reise ist. Eine Dienstreise setzt aber voraus, dass sie in unmittelbarem Dienstinteresse unternommen wird, auch wenn die Reise mit privaten Interessen verknüpft wird. Geschützt ist daher jede auswärtige Dienstverrichtung, aber auch jede auswärtige betriebliche Schulung. Die Entscheidung der Vorinstanzen, die Reise nach London sei keine Dienstreise, sondern tatsächlich eine „Incentive-Reise“ für ausgewählte verdiente Mitarbeiter gewesen, hält sich im Rahmen dieser Rsp: Für die Teilnehmer stand der Erholungs- bzw Freizeitzweck der Reise klar im Vordergrund. Dass sie überdies dazu bestimmt war, (auch) betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen, zeigt der Kl mit dem bloßen Verweis auf das Gala-Dinner nicht auf. Selbst wenn seine Ansicht, ein gemeinsames Abendessen, bei dem eine Führungskraft eine Rede hält und Titel an Mitarbeiter verliehen werden, sei „wohl rein dienstlicher Natur“, zuträfe, wären die betrieblichen Interessen nur ein unbedeutender Begleitumstand, der gegenüber dem primären Zweck der Reise in den Hintergrund tritt. Ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der Reise und dem Beschäftigungsverhältnis wird auch nicht dadurch hergestellt, dass der Kl während des viertägigen Aufenthalts mit einer Kundin (per WhatsApp) Kontakt hatte und einen Schadenfall (durch Weiterleiten der Kopie eines Führerscheins) bearbeitet.

Hinsichtlich des Vorbringens des Kl, dass die Teilnahme an der Reise „zumindest implizit verpflichtend“ gewesen sei, verweist der OGH darauf, dass sich der Kl nicht mit der Ansicht der Vorinstanzen auseinandersetzt, wonach die Reise nach London (auch) keine unter dem Schutz der UV stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ist, weil eine solche nur vorliege, wenn sie allen Betriebsangehörigen, oder (wenn die Größe oder die Erfordernisse des Betriebs keine gemeinsame Veranstaltung erlauben) wenigstens den Angehörigen der Abteilungen oder Gruppen, bei denen eine Teilnahme möglich ist, offensteht.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, bei der Reise nach London habe es sich um einen subventionierten Ausflug mit belohnendem Charakter gehandelt, bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall. Ebenso wenig korrekturbedürftig ist die Ansicht, die im Rahmen eines solchen Ausflugs erfolgte Bitte eines Vorgesetzten, ein Geschenk für die Reiseleiterin zu besorgen, sei keine in einem ausreichenden inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag stehende Anordnung.