Einschneidende Änderungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz
Einschneidende Änderungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz
Der erstmalige Versuch einer Dreierkoalition zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS bringt einige Neuerungen in der Arbeitsmarktpolitik mit sich. Zwei Eckpfeiler des schwarz-rot-pinken-Reformwillens sind die Einschränkungen beim geringfügigen Zuverdienst zum Arbeitslosengeld/zur Notstandshilfe und die Neugestaltung der Bildungskarenz. Getragen sind diese Reformbemühungen von einer aktuell angespannten Wirtschaftssituation und den budgetären Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Staatshaushalt. Dass es zu Einsparungen im System kommt, war vorhersehbar, die konkreten Ausgestaltungen im Bereich der AlV sind jedoch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Einsparungen gerade deswegen zu hinterfragen, weil die negativen Auswirkungen auf die Betroffenen oft schwerer wiegen als der Nutzen für den Arbeitsmarkt.
Mit der Abschaffung der Bildungskarenz/Bildungsteilzeit und der geplanten Einschränkung des Zuverdienstes beim Arbeitslosengeldbezug/beim Notstandshilfegeldbezug werden laut Gesetzgeber die ersten Maßnahmen zur Budgetsanierung im Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) gesetzt. Die Abschaffung der Bildungskarenz wurde, nachdem der Rechnungshof diese bereits kritisiert hat und auf die unverhältnismäßig hohen Kosten verwiesen hat, mit BGBl I 2025/7 am 7.3.2025 beschlossen, die gesetzlichen Regelungen treten dazu mit 1.4.2025 außer Kraft. Eine weitere Maßnahme soll die Einschränkung des Zuverdienstes sein, der bisher bis zur Geringfügigkeitsgrenze möglich war, mit dem Ziel, arbeitslose Personen schneller in Beschäftigung zu bringen und damit Einsparungen zu erreichen.
Die Bildungskarenz und Bildungsteilzeit war bisher in den §§ 26 und 26a AlVG geregelt. Diese sahen vor, dass für die Zeit einer mit dem/der AG vereinbarten Bildungskarenz oder Bildungsteilzeit gem §§ 11 oder 11a AVRAG entweder Weiterbildungsgeld gem § 26 AlVG oder Bildungsteilzeitgeld gem § 26a AlVG zuerkannt werden konnte, wenn die notwendigen Voraussetzungen hierfür erfüllt waren. Voraussetzungen waren, dass die notwendige Anwartschaft für das Arbeitslosengeld erfüllt sein musste und bei der Bildungskarenz eine Bildungsmaßnahme im Umfang von 20 Wochenstunden, bei Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum 7. Lebensjahr 16 Wochenstunden nachgewiesen wurde. Für die Bildungsteilzeit waren 10 Wochenstunden notwendig. Dabei wurden bei einer geringeren Wochenstundenanzahl auch Lern- und Übungszeiten berücksichtigt. Erfolgte die Weiterbildung in Form eines Studiums an einer im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG), BGBl 1992/305, genannten Einrichtung, so war nach jeweils 6 Monaten (nach jedem Semester) ein Nachweis über die Ablegung von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern im Gesamtumfang von 4 Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 8 ECTS-Punkten oder ein anderer geeigneter Erfolgsnachweis (wie beispielsweise Ablegung der Diplomprüfung oder des Rigorosums oder Bestätigung des Fortschrittes und zu erwartenden positiven Abschlusses einer Diplomarbeit oder sonstigen Abschlussarbeit) zu erbringen. Für die Bildungsteilzeit umfasst der Erfolgsnachweis bei einem Studium 2 Semster-Wochenstunden oder 4 ECTS-Punkte. Es war möglich, die Bildungskarenz, die innerhalb von 4 Jahren für ein Jahr vereinbart werden konnte, sowie die Bildungsteilzeit, die innerhalb von 4 Jahren für zwei Jahre vereinbart werden konnte, innerhalb dieses 4-jährigen Zeitraums zu unterbrechen und dann wieder nach einer entsprechenden Vereinbarung mit dem AG fortzusetzen und das zuerkannte Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld weiter zu beziehen. Möglich war dies, da § 26 AlVG auf die anzuwendenden Regelungen zum Arbeitslosengeld verwies und ein Fortbezug der Leistung im Arbeitslosengeldbezug möglich ist. Auch war es möglich, unmittelbar nach dem Kinderbetreuungsgeld eine Bildungskarenz mit Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeit mit Bildungsteilzeitgeld zu vereinbaren. Dies war möglich, da das Kinderbetreuungsgeld auch als Anwartschaftszeit (arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeit) für das Arbeitslosengeld zu berücksichtigen ist und konnten damit die notwendigen 6 Monate ununterbrochene Beschäftigung unmittelbar vor der Bildungskarenz/Bildungsteilzeit nachgewiesen werden. Auch war ein Wechsel von Bildungskarenz und Bildungsteilzeit innerhalb der 4 Jahre möglich.
Die angekündigte Abschaffung der Bildungskarenz und Bildungsteilzeit zu Beginn des Jahres führte zu massiven Verunsicherungen bei den AN, die bereits 266 für das Jahr 2025 eine Bildungskarenz oder Bildungsteilzeit mit der/dem AG vereinbart oder vorgesehen hatten. Mit 7.3.2025 wurde dann die Abschaffung der Bildungskarenz durch den Gesetzgeber beschlossen. Diese sieht zwar Übergangsregelungen vor, welche aber dennoch nicht eindeutig und klar formuliert sind. Insb sind davon AN betroffen, die sich bereits in einer Bildungskarenz oder Bildungsteilzeit befinden, eine solche aber noch nicht für den gesamten Zeitraum mit der/dem AG zeitlich fixiert haben, sondern diese zB nur unverbindlich vereinbart haben. Insb waren dies Personen, die bereits eine Ausbildung in Modulen absolviert haben. In diesen Fällen können die Bildungskarenzen nicht einfach fortgeführt werden, sondern sind Unterbrechungen hier aufgrund der Ausbildung vorgegeben.
Mit BGBl I 2025/7 wurde beschlossen, dass die §§ 26 und 26a mit Ablauf des 31.3.2025 außer Kraft treten (§ 80 Abs 19 AlVG). Weiters wurden für die Übergangsregelungen in § 81 Abs 19 AlVG ergänzt, dass § 26 und § 26a AlVG für Personen, deren Bezug von Weiterbildungsgeld oder von Bildungsteilzeitgeld spätestens am 31.3.2025 begonnen hat, für die verbleibende, zuerkannte Bezugsdauer weiter gelten. Diese gelten auch für Personen, die die Bildungskarenz oder Bildungsteilzeit nachweislich spätestens am 28.2.2025 vereinbart haben und die Bildungsmaßnahme spätestens am 31.5.2025 beginnt.
Da die Vereinbarung der Bildungskarenz und Bildungsteilzeit im AVRAG in den §§ 11 und 11a geregelt ist, sah man hier vor, dass AN von einer bis zum Ablauf des 31.3.2025 vereinbarten Bildungskarenz insoweit zurücktreten können, als für diese nach den §§ 80 Abs 19 und 81 Abs 19 des AlVG 1977, BGBl 1977/609, ein Anspruch auf Weiterbildungsgeld nach § 26 AlVG und Bildungsteilzeitgeld nicht mehr zuerkannt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass hiervon viele AN aufgrund der Umsetzung der Übergangsregelungen, die zunächst aufgrund der ersten vorläufigen Durchführungsweisung erfolgte und die Regelung enthielt, dass die Leistungen bei Unterbrechungen der Bildungskarenz/Bildungsteilzeit von mehr als 62 Tagen nicht mehr gebührt, Gebrauch gemacht haben.
Die in § 81 Abs 19 AlVG getroffenen Übergangsregelungen bedurften einer genaueren Auslegung, sodass dazu eine Durchführungsweisung des BM für Arbeit und Wirtschaft notwendig war. In der vorläufigen Durchführungsweisung wurden dazu zunächst die notwendigen Auslegungen für die Umsetzung festgelegt. Die Übergangsregelungen sehen vor, dass die bisherigen Regelungen nur für das Weiterbildungsgeld und das Bildungsteilzeitgeld, welches bis zum 31.3.2025 zuerkannt wurde und nur mehr für die verbleibende Bezugsdauer gelten soll. Für Personen, die nachweislich spätestens am 28.2.2025 eine Bildungskarenz oder Bildungsteilzeit mit dem/der AG getroffen haben und die Bildungsmaßnahme spätestens am 31.5.2025 beginnt, gelten § 26 und § 26a AlVG auch weiterhin. Insb wurde in der Durchführungsweisung darauf hingewiesen, dass eine Vereinbarung nur dann als verbindlich angesehen wird, wenn diese schriftlich erfolgt ist. Das Arbeitsmarktservice (AMS) wendete die vorläufige Durchführungsweisung umgehend an und es kam dabei aufgrund der Ablehnung des Fortbezuges von Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld zu massiven Härtefällen. Besonders betroffen waren davon Personen, die bereits einen Teil der Bildungskarenz und Bildungsteilzeit mit dem entsprechend zuerkannten Leistungsbezug absolvierte hatten und eine weitere aufgrund der Ausbildung, die zB in Modulen erfolgt, nicht mehr absolvieren konnten, da diese erst ausbildungsbedingt nach dem 31.5.2025 begonnen hat. Oder weil die hierfür notwendige Vereinbarung der/dem AG nicht bereits schriftlich bis zum 28.2.2025 fixiert wurde. Aufgrund dieser Auslegung wäre es nicht mehr möglich gewesen, eine Ausbildung, bei der zB nur mehr der dritte Teil eines Moduls gefehlt hat, mit einer Bildungskarenz oder Bildungsteilzeit zu absolvieren, da nach einer Unterbrechung von mehr als 62 Tagen dies laut Durchführungsweisung nicht mehr vorgesehen war.
Die in der vorläufigen Durchführungsweisung vorgenommenen Auslegungen schlossen einen Fortbezug der Leistung nach einer Unterbrechung der Bildungskarenz oder Bildungsteilzeit von mehr als 62 Tagen aus. Bisher war dies aufgrund von § 26 Abs 7 AlVG und § 26a Abs 5 AlVG möglich, da dazu auf § 19 AlVG, der den Fortbezug des Arbeitslosengeldes regelt, verwiesen wurde. Diese Umsetzung war nicht nachvollziehbar, da eine Beendigung der Ausbildung mit Leistungsbezug somit ausgeschlossen wurde, was aber bisher unter Anwendung der §§ 26 und 26a AlVG möglich war. Bildungskarenz und Bildungsteilzeit konnten bisher in Teilen absolviert werden und mussten dazu auch nicht neuerlich alle Voraussetzungen erfüllt werden. Es wurde die bisher zuerkannte Leistung als Fortbezug weitergewährt. Unzählige Härtefälle führten nunmehr dazu, dass in der endgültigen Durchführungsweisung des BM nun Unterbrechungen von mehr als 62 Tagen, insb bei Ausbildungen in Modulen, nicht mehr zum Ausschluss des Weiterbildungsgeldes und Bildungsteilzeitgeldes führen. 267
Mit der endgültigen Durchführungsweisung des Bundesministeriums zu den Bestimmungen für die Übergangsregelungen zur Abschaffung der Bildungskarenz/Bildungsteilzeit kommt es zu geänderten Regelungen in der Umsetzung der bisher ab 1.4.2025 vorgenommenen Verwaltungspraxis, die bisher aufgrund der vorläufigen Durchführungsweisung zur Bildungskarenz erfolgt ist. Somit sind bisher Ablehnungen des Leistungsbezuges unrechtmäßig erfolgt und hätte grundsätzlich ein Anspruch auf Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld bestanden.
Darunter fallen laut endgültiger Durchführungsweisung Personen, deren Anspruch und Bezug von Weiterbildungsgeld/Bildungsteilzeitgeld spätestens am 31.3.2025 begonnen hat, für die verbleibende, zuerkannte Bezugsdauer. Dies sind Fälle, in denen das AMS bereits über das Weiterbildungsgeld/Bildungsteilzeitgeld entschieden hat und diese bereits bezogen wird. Dies sind laufende Fälle. Weiters sind jene Fälle inkludiert, in denen das AMS im März oder zu einem späteren Zeitpunkt entschieden hat, sofern der erste Anspruchs- und Bezugstag spätestens am 31.3.2025 ist. Die Bildungsmaßnahme kann danach – bei Berücksichtigung der in der Regel akzeptierten Vorlaufzeit von einer Woche – auch erst im April beginnen.
Bildungskarenz in Modulen:
Wenn das erste Modul spätestens am 31.3.2025 begonnen hat, können weitere Module auch absolviert werden, wenn sie später (auch mit mehr als 62 Tagen Unterbrechung) beginnen. Es liegt ein Fortbezug bereits zuerkannten Weiterbildungsgeldes/Bildungsteilzeitgeldes vor.
Unvorhergesehene Unterbrechungen:
Unterbrechungen insb durch Mutterschutz und Kinderbetreuungsgeldbezug schaden dem Fortbezug nicht, dh es kann im Anschluss wieder Weiterbildungsgeld bezogen werden.
Bildungskarenzen in Modulen:
Wenn das erste Modul spätestens am 31.5. begonnen hat, können weitere Module auch absolviert werden, wenn sie später (auch mit mehr als 62 Tagen Unterbrechung) beginnen. Es liegt ein Fortbezug bereits zuerkannten Weiterbildungsgeldes/Bildungsteilzeitgeldes vor.
Unvorhergesehene Unterbrechungen:
Auch hier schaden für begonnene Ausbildungen in Modulen unvorhergesehenen Unterbrechungen, wie Mutterschutz und Kinderbetreuungsgeldbezug, dem Fortbezug nicht, dh es kann im Anschluss wieder Weiterbildungsgeld/Bildungsteilzeit bezogen werden.
Nachweisliche Vereinbarung:
Dem Schriftlichkeitserfordernis genügt nun auch eine E-Mail-Kommunikation oder ein unterfertigtes Protokoll eines Mitarbeitergespräches. Die schriftliche Vereinbarung muss ein Datum enthalten.
Aufhebung der bisherigen Entscheidungen:
Bereits erfolgte negative Entscheidungen aufgrund der bisherigen Umsetzung werden nur mit Antrag der betreffenden Personen durch das AMS berichtigt!
Trotz der nunmehr doch sehr wesentlichen Änderungen zur Umsetzung der Bildungskarenz wird in der endgültigen Durchführungsweisung nicht klargestellt, ob ein Fortbezug der Leistung in allen Fällen innerhalb von einer bereits zuerkannten Leistung innerhalb von 4 Jahren möglich ist, wenn es sich um eine bereits mit Bildungskarenz begonnene Ausbildung handelt. Eine mit dem AG getroffene Verlängerung der Bildungskarenz/Bildungsteilzeit bis zum 31.3.2025 mit einer laufenden Ausbildung müsste über den bisher zuerkannten Leistungszeitraum möglich sein, da zu diesem Zeitpunkt auch die gesetzlichen Regelungen zum Weiterbildungsgeld/Bildungsteilzeitgeld noch in Geltung waren. Aber auch ein Fortbezug der Leistung nach dem 31.5.2025 muss möglich sein. Die Durchführungsweisung führt dazu ausdrücklich aus, dass die Weitergeltung der §§ 26 und 26a AlVG abgeschlossene Fälle des Bezuges von Weiterbildungsgeld miteinschließt, da auch diese vor dem 28.2.2025 mit dem AG vereinbart und vor dem 31.5.2025 begonnen haben. Insoweit gelten die Regelungen für Rechtsmittelverfahren, also insb Berichtigungen, Widerrufe und Rückforderungen abgeschlossener Fälle weiter. Es wird darauf verwiesen, dass eine sachlich rechtfertigbare andere Interpretation nicht zulässig wäre. Dies kann aber dann auch nur bedeuten, dass ein Fortbezug des Weiterbildungsgeldes/Bildungsteilzeitgeldes gem § 19 AlVG zulässig ist, da sowohl die Regelungen zum Widerruf und der Rückforderung als auch des Fortbezuges in § 26 Abs 7 AlVG geregelt waren. Auch in dem Fall wäre eine andere Auslegung rechtswidrig.268
Das vorgelegte Regierungsübereinkommen hat es bereits ahnen lassen: Was im April 2024 noch mittels Durchführungsweisung aus dem damaligen BM für Arbeit und Wirtschaft versucht wurde, soll jetzt mittels einer Gesetzesänderung vollzogen werden. Der geringfügige Zuverdienst zum Arbeitslosengeld/zur Notstandshilfe soll weitestgehend eingeschränkt werden. Ob dies gelingt, welche Zwecke man seitens der Regierung damit verfolgen möchte und welche Auswirkungen für den Arbeitsmarkt und die Leistungsbezieher:innen zu erwarten sind – ein Ausblick.
Das AlVG sieht die Möglichkeit eines geringfügigen Zuverdienstes (2025: € 551,10 brutto monatlich) vor, ohne dass sich dieser auf die Leistungshöhe auswirkt. Es kommt zu keinem Anspruchsverlust und keiner Anrechnung auf die Leistungshöhe.
Die mit dem bisher erlaubten geringfügigen Zuverdienst zum Arbeitslosengeld/zur Notstandshilfe in Zusammenhang stehende Bestimmung des § 12 Abs 6 lit a bis lit g AlVG regelt, dass unterschiedliche Personengruppen dennoch als arbeitslos iSd § 12 Abs 1 und 2 AlVG gelten, wenn sie mit einem Zuverdienst die Geringfügigkeitsgrenze gem § 5 Abs 2 ASVG nicht überschreiten.
Bei einem Einkommen, das die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, ist somit keine Arbeitslosigkeit und damit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gegeben. Liegt eine vorübergehende Erwerbstätigkeit vor – wird also eine Beschäftigung für weniger als vier Wochen vereinbart –, kann diese ohne Auswirkungen auf den Anspruch ausgeübt werden. Der die Geringfügigkeitsgrenze überschreitende Betrag wird in diesem Monat auf das Arbeitslosengeld/die Notstandshilfe – was auch zum Wegfall des Leistungsanspruches führen kann – angerechnet. Ob von der geplanten Einschränkung des Zuverdienstes auch die Regelung zur vorübergehenden Erwerbstätigkeit abgeändert wird, bleibt abzuwarten.
Vor dem Hintergrund der schwierigen Wirtschaftslage und des Zustands des Arbeitsmarktes hat die Regierung im Regierungsübereinkommen und nach einer Arbeitsklausur angekündigt, dass der Zuverdienst für arbeitslose Personen weitestgehend eingeschränkt werden soll. Mittlerweile liegt mittels Regierungsvorlage ein Gesetzesentwurf vor. Das Budgetbegleitgesetz 2025 sieht in Art 45 die diesbezüglichen Änderungen des AlVG vor. Die gesetzlichen Änderungen sollen gemäß der Übergangsbestimmung des § 79 Abs 187 AlVG mit 1.1.2026 in Kraft treten. Zunächst ist zu erwähnen, dass mit diesem Gesetz dem AlVG ein gänzlich neuer § 1a eingefügt werden soll, mit dem (freie) DN, die den Sonderbestimmungen über die Pflichtversicherung bei doppelter oder mehrfacher geringfügiger Beschäftigung nach dem ASVG oder dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG) (§§ 471f bis 471m ASVG) unterliegen, für die Dauer dieser Pflichtversicherung auch in der AlV pflichtversichert sein sollen. Darüberhinausgehend soll in Zusammenhang mit dem geringfügigen Zuverdienst der die Arbeitslosigkeit definierende § 12 AlVG neu ausgestaltet werden. Zunächst soll es – wie bisher – notwendig sein, eine der AlV unterliegende (selbstständige oder unselbstständige) Erwerbstätigkeit zu beenden. Zudem soll es bei Vorliegen einer AlV gem des (neuen) § 1a AlVG erforderlich sein, sämtliche dieser geringfügigen Beschäftigungen zu beenden, um iSd § 12 Abs 1 AlVG als arbeitslos zu gelten. Zudem sieht der neu formulierte § 12 Abs 2 AlVG vier Personengruppen vor, bei denen ein (zeitlich begrenzter) Zuverdienst nicht schaden soll.
Die Bestimmung soll lauten:
„Arbeitslos sind demnach auch Personen, die eine geringfügige Erwerbstätigkeit (Beschäftigung)
1. bereits ununterbrochen mindestens 26 Wochen neben einer vollversicherten Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) gemäß Abs. 1 ausgeübt haben und diese nach Beendigung der vollversicherten Erwerbstätigkeit fortführen,
2. nach einer Bezugsdauer von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) von 365 Tagen, wobei Unterbrechungen bis 62 Tage unbeachtlich sind, aufnehmen und die geringfügige Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) innerhalb eines Zeitraumes von längstens 26 Wochen ausüben,
3. nach einer Bezugsdauer von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) von 365 Tagen, wobei Unterbrechungen bis 62 Tage unbeachtlich sind, aufnehmen und das 50. Lebensjahr vollendet haben oder die Voraussetzungen gemäß § 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) oder gleichartiger landesgesetzlicher Regelungen erfüllen oder einen Behindertenpass gemäß § 40 Bundesbehindertengesetz (BBG) besitzen oder
4. nach einer mindestens 52 Wochen dauernden Erkrankung, während der Kranken-, Rehabilitations- oder Umschulungsgeld bezogen wurde, aufnehmen und die geringfügige Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) innerhalb eines Zeitraumes von längstens 26 Wochen ausüben.“
Der Gesetzgeber hat mit der geplanten Änderung erstmals dargelegt, dass Langzeitarbeitslosigkeit ab einer Bezugsdauer von Arbeitslosengeld/von Notstandshilfe von 365 Tagen anzunehmen ist. In Zukunft sollen nur Personen, die bei Beendigung einer vollversicherten Beschäftigung eine bereits 26 Wochen andauernde geringfügige Beschäftigung ausgeübt haben und ältere langzeitarbeitslose Personen (ab einer Bezugsdauer von Arbeitslosengeld/Not269standshilfe von 365 Tagen und Vollendung des 50. Lebensjahres), Personen, die die Voraussetzungen gem § 2 BEinstG oder gleichartiger landesgesetzlicher Regelungen erfüllen oder einen Behindertenpass gem § 40 BBG besitzen, eine zeitlich unbegrenzte geringfügige Tätigkeit ausüben (fortführen) und gleichzeitig Leistungen aus der AlV beziehen können. Langzeitarbeitslose Personen (ab einer Bezugsdauer von Arbeitslosengeld/Notstandshilfe von 365 Tagen) und Personen, die mindestens 52 Wochen erkrankt und währenddessen Kranken-, Rehabilitations- oder Umschuldungsgeld bezogen haben, können eine geringfügige Beschäftigung innerhalb eines Zeitraumes von längstens 26 Wochen ausüben und gleichzeitig Leistungen aus der AlV beziehen. Der Zeitraum von 26 Wochen steht laut Erläuterungen je Anwartschaft nur einmal zur Verfügung.
Zudem ist eine Übergangsbestimmung in § 81 Abs 20 AlVG geplant, wonach Personen, die am 1.1.2026 geringfügig beschäftigt sind, und die Voraussetzung des neu gefassten § 12 Abs 2 AlVG erfüllen, die geringfügige Beschäftigung nach diesen Voraussetzungen (je nach Personengruppe entweder unbegrenzt oder auf 26 Wochen beschränkt) fortführen können. Personen, die am 1.1.2026 geringfügig beschäftigt sind, und die Voraussetzungen gemäß des neu gefassten § 12 Abs 2 AlVG nicht erfüllen, sollen die Möglichkeit bekommen, die geringfügige Beschäftigung bis 31.1.2026 zu beenden, um als arbeitslos ab dem 1.1.2026 zu gelten.
Mit gegenständlichem Entwurf soll in § 12 Abs 6 letzter Satz AlVG klargestellt werden, dass für die Beurteilung der Geringfügigkeitsgrenze die Einkommen (Umsätze) der in § 12 Abs 6 lit a bis e angeführten Einkunftsarten weder einzeln noch in Summe die Geringfügigkeitsgrenze gem § 5 Abs 2 ASVG übersteigen dürfen. Dies war bis jetzt nicht gesetzlich geregelt bzw in der Verwaltungspraxis wurden die Einkunftsarten hinsichtlich der Geringfügigkeitsgrenze getrennt voneinander bewertet, sodass in jeder Einkunftsart bis zur Geringfügigkeitsgrenze verdient werden konnte und dennoch Arbeitslosigkeit gegeben war.
Begründet wird die Reform des Zuverdienstes damit, dass ein Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes geleistet werden soll und sich ein geringfügiger Zuverdienst häufig negativ auf die Wiedereingliederung der arbeitslosen Personen in den Arbeitsmarkt – also auf die Vermittlungsdauer – auswirken würde. Dieser sogenannte „Lock-in-Effekt“ ist in Bezug auf die Vermittlungsdauer evident, da arbeitslose Personen mit geringfügiger Beschäftigung länger arbeitslos bleiben. Dies deswegen, weil Personen, die von der Zuverdienstmöglichkeit Gebrauch machen (müssen), weniger zeitliche Ressourcen für die Suche nach einer Vollzeitstelle zur Verfügung haben und auch die Gefahr besteht, dass die Suchintensität nach einer Vollzeitstelle reduziert wird, wenn das kombinierte Einkommen aus Arbeitslosengeld/Notstandshilfe und geringfügigem Zuverdienst nahe dem Einkommen einer Vollzeitstelle liegt. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, sieht das AlVG bereits alle notwendigen Möglichkeiten und Maßnahmen vor. Insb wichtig dabei ist, das AMS mit den notwendigen monetären und personellen Kapazitäten auszustatten, um eine zeitgerechte Betreuungsintensität gewährleisten zu können und die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen.
Die Höhe des Arbeitslosengeldes liegt bei 55 % des Nettoeinkommens (Bemessungsgrundlage). Die Höhe der Notstandshilfe liegt bei 92 % bzw 95 % des Arbeitslosengeldes. Beide Leistungen werden nicht valorisiert (inflationsangepasst). Dies erhöht für die Dauer der Arbeitslosigkeit die Armutsgefährdung. Die Möglichkeit des Zuverdienstes kann daher einen Beitrag zur Existenzsicherung und Armuts- und Ausgrenzungsvermeidung leisten. Diesen armutsvermeidenden Effekt des geringfügigen Zuverdienstes zeigt auch eine aktuelle Studie der prospect Unternehmensberatung im Auftrag der Arbeiterkammer Wien. (Hajji/Hausegger, Auskommen mit dem Einkommen bei Arbeitslosigkeit – Eine quantitative Erhebung arbeitssuchender Menschen in Wien [2024], https://wien.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitsmarkt/2024_prospect_AM_Einkommen_bei_Arbeitslosigkeit.pdf [abgerufen am 30.6.2025]). Dieser Studie zufolge wird für arbeitslose Personen das Auskommen mit ihrem Einkommen immer schwieriger. Mehr als die Hälfte der Befragten (54 %) konnten während der Arbeitslosigkeit nicht von ihrem Einkommen (Arbeitslosengeld/Notstandshilfe) die Lebenserhaltungskosten finanzieren, wobei Alleinerziehende, Pflichtschulabsolvent:innen und Migrant:innen besonders betroffen sind. Zudem zeigt eine aktuelle Studie der L&R Sozialforschung (L&R 2024: Abgesichert Auskommen oder nicht mehr über die Runden Kommen?), dass 16 der 40 qualitativ Interviewten angaben, sich in der Arbeitslosigkeit massivst einschränken zu müssen und nur noch billigste Lebensmittel einkaufen zu können. Die geplante Einschränkung des geringfügigen Zuverdienstes wird die prekäre finanzielle Lage von arbeitslosen Personen weiter verschärfen, da der geringfügige Zuverdienst in den allermeisten Fällen zur Deckung der Lebenserhaltungskosten notwendig ist. Was in der öffentlichen Debatte so gut wie nie vorkommt, ist die Auswirkung der Arbeitslosigkeit auf die Gesundheit. So geben in der aktuellen Studie der L&R Sozialforschung 44 % der Befragten an, dass ihre Psyche unter der Arbeitslosigkeit leidet und als Folge Existenzängste, Stress und ein geringer Selbstwert zu Tage treten. Eine soziale Hängematte ist die Arbeitslosigkeit keineswegs.
Darüber hinaus kann die Zuverdienstmöglichkeit ein Sprungbrett hin zu einem vollversicherten Dienstver270hältnis sein. Zum einen, weil über die geringfügige Tätigkeit leichter Kontakte zu potentiellen AG hergestellt werden können und von offenen Stellen leichter erfahren werden kann und zum anderen, weil durch die Tätigkeit bereits erworbenes Wissen und Qualifikationen nicht verloren gehen.
Es gibt kaum aktuelle empirische Untersuchungen zu den Auswirkungen des Wegfalles des geringfügigen Zuverdienstes. Die politische Meinungsmache in diesem Zusammenhang beruht oftmals auf subjektiven Wahrnehmungen. Studien, die dieses Thema zumindest mitbehandeln (Müllbacher/Hofer/Titelbach, Verteilungswirkung und Anreizstruktur des österreichischen Steuer-Transfer-Systems [2014], https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/3007/1/IHSPR6491142.pdf [abgerufen am 2.6.2025]; Angel/Fink/Horvath/Mahringer, Anreizwirkungen ausgewählter Elemente im System der österreichischen Arbeitslosenversicherung [2022], https://www.wifo.ac.at/wp-content/uploads/upload-8168/s_2022_arbeitslosenversicherung_ 69621_.pdf [abgerufen am 2.6.2025]), kommen bezüglich der Wirkung auf die Vermittlungsdauer – je nach betroffener Personengruppe – zu unterschiedlichen Ergebnissen. Langzeitarbeitslose Personen mit einer geringfügigen Beschäftigung kommen durchschnittlich schneller wieder in ein vollversichertes Dienstverhältnis als langzeitarbeitslose Personen ohne geringfügige Beschäftigung. Ob eine geringfügige Beschäftigung auch positive Effekte im Hinblick auf Einkommen und Stabilität des neuen Arbeitsverhältnisses hat, wurde nicht untersucht. Umgekehrt kann auch ein hoher Vermittlungsdruck negative Auswirkungen auf die zukünftige Beschäftigung haben (geringe Bezahlung, prekäre Beschäftigung) und in Folge höherer Fluktuation auch für AG zu höheren Kosten führen. Für die arbeitsmarktpolitische Bewertung der geringfügigen Zuverdienstmöglichkeit spielen nicht nur die Existenzsicherung und Armutsvermeidung sowie die Vermittlungsdauer, sondern auch qualitative Aspekte (Beschäftigungsdauer, Einkommen, prekäres vs. Normalarbeitsverhältnis) eine wesentliche Rolle. So gesehen ist die Vermittlungsgeschwindigkeit nur ein Effekt der geringfügigen Zuverdienstmöglichkeit. Zugleich ist die Dauer der Arbeitslosigkeit von anderen Faktoren deutlich stärker beeinflusst als von der geringfügigen Zuverdienstmöglichkeit. Zu diesen Faktoren zählen allen voran die konjunkturelle Entwicklung, das Matching von Qualifizierung und Kompetenzen mit Arbeitsplatzanforderungen sowie die Verfügbarkeit bedarfsgerechter Kinderbetreuungsplätze.
Jedenfalls ist bei der Umsetzung der Übergangsregelung zur Bildungskarenz und Bildungsteilzeit zu kritisieren, dass diese innerhalb kürzester Zeit, nachdem bereits Ablehnungen durch das AMS erfolgt sind, geändert wurde und diese Ablehnungen nicht von Amts wegen aufgehoben werden, sondern nur auf Antrag erfolgen. Doch wie erfahren die Personen von der geänderten Umsetzung? Es bleibt auch abzuwarten, ob die Abschaffung der Bildungskarenz/Bildungsteilzeit und die geplante Einschränkung beim Zuverdienst die erhofften Einsparungen bringen wird. Bei der Bildungskarenz ist eine Neuauflage geplant. In welcher Form diese wieder eingeführt wird, ist noch nicht klar. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass es zu Verschärfungen kommen wird. Sicher ist, dass eine Bildungskarenz/eine Bildungsteilzeit unmittelbar nach einer Elternkarenz nicht mehr möglich sein soll. Beim Zuverdienst ist im Ergebnis davon auszugehen, dass die weitestgehende Einschränkung der geringfügigen Zuverdienstmöglichkeit dazu führen wird, dass bereits erworbenes Wissen und Qualifikationen verloren gehen, dass arbeitslose Personen ohne den geringfügigen Zuverdienst hin zur Sozialhilfe und weg vom Arbeitsmarkt gedrängt werden und negative Auswirkungen auf eine zukünftige Beschäftigung (prekäre Beschäftigungsverhältnisse, geringere Bezahlung) auftreten, was wiederum dazu führt, dass erst recht keine nachhaltigen Beschäftigungen aufgenommen werden. Aus genannten Gründen ist die geplante Gesetzesänderung kritisch zu sehen.