93

Auslegung einer vertraglichen Gehaltsregelung

GREGOR KALTSCHMID
§ 18 KollV für Angestellte im Gewerbe und Handwerk und in der Dienstleistung

Auf das Dienstverhältnis des Kl zur Bekl ist der Kollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe und Handwerk und in der Dienstleistung (KollV) anwendbar, nach dessen § 18 das kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt als erreicht gilt, wenn das Monatsbruttogehalt zuzüglich der jahresdurchschnittlichen Provision das Mindestgrundgehalt der entsprechenden Verwendungsgruppe erreicht.

Der Kl bezog im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages das kollektivvertragliche Mindestgehalt.

Zudem wurde im Vertrag vereinbart, dass mit den über den KollV hinausgehenden (Provisions-)Zahlungen sämtliche Mehrarbeitsstunden, Überstunden, Diäten, Reisezeiten und Rufbereitschaften abgegolten sind.

Der Kl war der Ansicht, dass die Provision zusätzlich zu den kollektivvertraglichen Ansprüchen gebührt.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.

Der OGH wies die außerordentliche Revision gem § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück und führte aus:

Bei der Auslegung von Verträgen iSd § 914 ABGB ist ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung die Absicht der Parteien zu erforschen. Lässt sich ein vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille der Parteien nicht feststellen, ist der Vertrag unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs und der Übung des redlichen Verkehrs so auszulegen, wie er für einen redlichen und verständigen Empfänger zu verstehen war.

Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rsp im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu. Das ist auch hier nicht der Fall.

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Vereinbarung im Dienstvertrag des Kl, dass mit den über den KollV hinausgehenden (Provisions-)Zahlungen sämtliche Mehrarbeitsstunden, Überstunden, Diäten, Reisezeiten und Rufbereitschaften abgegolten sind, kein Abbedingen der kollektivvertraglichen Regelung darstellt, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, dass sich diese Bestimmung auf die Wirkung von Provisionszahlungen bezieht, soweit es sich dabei um über den KollV hinausgehende Zahlungen handelt.

Dass diese Formulierung so zu verstehen wäre, dass die Provision in jedem Fall zu den nach dem KollV gebührenden Ansprüchen hinzutritt, wie die Revision meint, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Regelungszweck der Vertragsbestimmung. Letztlich wird mit ihr nur klargestellt, dass die ausdrücklich genannten Leistungen wie etwa Überstunden nicht gesondert entlohnt werden, sofern sie in den (überkollektivvertraglichen) Provisionszahlungen Deckung finden. 232

§ 915 ABGB ist nur subsidiär, wenn der Inhalt einer unklaren und zweifelhaften Äußerung mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB nicht ermittelt werden kann, heranzuziehen. Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.

Richtig ist, dass die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung und die des Kl je nach Höhe des Grundgehalts, der Provision und der Mehrarbeits- und Überstunden zu unterschiedlichen Ansprüchen führen können. Die Auslegung hat aber nach den zuvor dargestellten Grundsätzen und nicht nach dem (von einer Partei als vorteilhaft erachteten) Ergebnis zu erfolgen.

Dass ausgehend von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts der Kl auch unter Zugrundelegung der von ihm geforderten Einstufung das kollektivvertraglich vorgesehene Mindestentgelt erhalten hat, wird in der Revision nicht bestritten. Der Kl behauptet auch nicht konkret, dass durch die Anrechnung der Provisionen auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt andere Ansprüche etwa aus Überstunden oder Rufbereitschaften nicht ausreichend abgegolten worden wären.

Der Kl wurde daher unter Berücksichtigung der Provisionszahlungen durchgehend überkollektivvertraglich entlohnt.

Die außerordentliche Revision des Kl war daher zurückzuweisen.