95Zahlung des kollektivvertraglichen Krankengeldzuschusses begründet Beitragspflicht zur betrieblichen Pensionskasse
Zahlung des kollektivvertraglichen Krankengeldzuschusses begründet Beitragspflicht zur betrieblichen Pensionskasse
Die Kl war bei der Bekl vom 1.7.2008 bis 30.6.2023 beschäftigt.
Bei der Bekl wurde eine BV über ein beitragsorientiertes Pensionskassenmodell (BV) abgeschlossen. Diese regelt die DG-Beiträge wie folgt:
„§ 13 Dienstgeberbeiträge
(1) Der Dienstgeber verpflichtet sich ab Eintritt des jeweiligen AWB [Anwartschaftsberechtigten] in den persönlichen Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung und nach Erfüllung einer allfälligen Wartezeit (§ 2) monatlich (12x p.a.) zur Finanzierung 233der Versorgungsleistungen Beiträge (Dienstgeberbeiträge) in Höhe von a) 2,7 % (…) des anrechenbaren Gehaltes an die Pensionskasse zu leisten.
Als anrechenbares Gehalt gilt die Einreihung und Einstufung in das geltende Gehaltsschema gemäß Abschnitt II des gültigen Kollektivvertrages, jedoch ohne sonstige kollektivvertragliche Zulagen (ausgenommen die Ausgleichszulage und Überleitungszulagen, die im Kollektivvertrag in den Überleitungsbestimmungen im Abschnitt VI als anrechenbar geregelt sind), und zuzüglich jener Zulagen und sonstigen Gehaltsbestandteile, die ausdrücklich und schriftlich als pensionsanrechenbar bestimmt wurden. Für die Bemessung der Beiträge wird von 14 Monatsgehältern jährlich ausgegangen. Sofern bisher abweichende Vereinbarungen betreffend die Beitragshöhe getroffen wurden, gelten diese weiter.
(…)
(5) Für Dienstnehmer, die einen Karenzurlaub oder den ordentlichen Präsenzdienst antreten, wird ab Beginn ihrer Abwesenheit die Beitragsleistung durch den Dienstgeber eingestellt. Für Zeiten, in denen der Dienstgeber kein Entgelt an den AWB leistet, wie z.B. unbezahlter Urlaub, erfolgt keine Beitragszahlung in die Pensionskasse. (…)“
Vom 7.9.2021 bis 28.2.2023 war die Kl im Krankenstand. Nach dem Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs erhielt sie gem § 20 des anzuwendenden Kollektivvertrags für Angestellte der österreichischen Landes-Hypothekenbanken (KollV) von 2.12.2021 bis 31.10.2022 einen 49 %-igen Krankengeldzuschuss. Für diesen Zeitraum bezahlte die Bekl für die Kl keine Beiträge an die Pensionskasse. Am 1.7.2023 trat die Kl die Alterspension an.
Die Kl begehrte die Feststellung, dass die Bekl auch im Zeitraum 2.12.2021 bis 31.10.2022 eine Beitragspflicht zur Pensionskasse treffe, mit der Begründung, dass dieser Zuschuss jedenfalls Entgelt darstelle. In eventu forderte sie die Zahlung des Klagsbetrags, welcher 2,7 % der erhaltenen Krankengeldzuschüsse entspreche.
Der Bekl wandte dagegen ein, dass nur das „anrechenbare Gehalt“ ohne Zulagen gem § 13 Abs 1 der BV maßgeblich sei und der Dienstvertrag keine Bezugnahme auf Krankengeldzuschüsse enthalte.
Die Vorinstanzen wiesen das Hauptbegehren mangels Feststellungsinteresse ab, gaben aber dem Eventualbegehren Folge.
Der OGH sah die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Bekl zwar als zulässig, aber nicht als berechtigt und führte aus, dass der normative Teil eines KollV den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6 und 7 ABGB) unterliegt. Grundsätzlich ist der gegenwärtige objektive Sinngehalt maßgebend. Dabei ist im Zweifel zu unterstellen, dass die Vertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten.
Die vom DG zu leistenden Beiträge zur Pensionskasse ergeben sich aus § 13 der BV. Abs 1 dieser Bestimmung regelt die Höhe dieser Beiträge, die ab Eintritt des DN zu leisten sind, nämlich einen bestimmten Prozentsatz des anrechenbaren Gehalts. Dieses wird näher definiert als das Gehalt, das sich aus der Einreihung und Einstufung laut KollV ergibt. Zulagen sind nur in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, sofern sie im KollV als anrechenbar geregelt sind oder ausdrücklich und schriftlich als pensionsanrechenbar bestimmt wurden.
§ 13 Abs 5 der BV regelt die Fälle, in denen trotz aufrechtem Dienstverhältnis kein DG-Beitrag zur Pensionskasse zu leisten ist: Karenzurlaub, Präsenzdienst und Zeiten, in denen der DG kein Entgelt an den DN leistet, wie zB bei unbezahltem Urlaub.
Entgegen dem Vorbringen der Bekl regelt diese Bestimmung daher nicht „ausschließlich den Fall des unbezahlten Karenzurlaubs oder ordentlichen Präsenzdienstes
“. Vorgesehen ist vielmehr der Entfall der Beitragspflicht grundsätzlich dann, wenn kein Entgelt zu leisten ist. Im Umkehrschluss ist daher in Zeiten, in denen Entgelt geleistet wird, auch ein Pensionskassenbeitrag zu zahlen.
Nach den Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung nach § 8 AngG behält der AN im Krankheitsfall für einen bestimmten Zeitraum seinen Anspruch auf jenes Entgelt, das er vor der Dienstverhinderung bezogen hat.
„(1) Für die im kündbaren Dienstverhältnis stehenden Dienstnehmer gelten für die Bezüge im Krankheitsfall folgende Bestimmungen:Zusätzlich regelt § 20 KollV in Abschnitt IV unter der Überschrift „Bezüge im Krankheitsfall“ Folgendes:
a) Im Allgemeinen gelten hinsichtlich der Fortzahlung des Entgeltes im Falle der Erkrankung eines Dienstnehmers die Bestimmungen der §§ 8 und 9 AngG mit der Maßgabe, dass das volle Entgelt auch dann bezahlt wird, wenn nach § 8 (1) und (2) AngG nur eine teilweise Entgeltzahlung gebührt.
b) Über die im § 8 AngG vorgesehenen Zeiträume hinaus erhalten im ungekündigten Dienstverhältnis stehende Dienstnehmer nach Vollendung einer fünfjährigen in der Bank verbrachten Dienstzeit als Dienstnehmer bis zu einer Krankheitsdauer von sechs Monaten, nach Vollendung einer zehnjährigen in der Bank als Dienstnehmer verbrachten Dienstzeit bis zu einer Krankheitsdauer von zwölf Monaten (beide Male vom Ende des vollen Entgeltanspruches nach dem AngG an gerechnet) einen monatlichen Zuschuss zu den gesetzlichen Leistungen (Krankengeld, Familiengeld usw).
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c) Dieser Zuschuss beträgt 49 % der vollen Geld- und Sachbezüge, wobei jedoch der Zuschuss zusammen mit dem Krankengeld nicht mehr als die Entgeltleistung vor der Erkrankung abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge des Dienstnehmers ausmachen darf. Kollektivvertragsbedingte sowie infolge tourlicher Vorrückungen eintretende Erhöhungen der Geld- und Sachbezüge, die während der Krankheit erfolgen, werden berücksichtigt.
(…)“
Diese Regelung erweitert somit die Pflicht des DG zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zugunsten des DN: Entgegen der Auffassung der Bekl regelt § 20 KollV damit keinen kollektivvertraglichen „Zuschuss“ zum Gehalt, das sich aus Einreihung und Einstufung laut Abschnitt II des KollV ergibt. Stattdessen sieht es die Weiterzahlung von 49 % der vollen Geld- und Sachbezüge für einen bestimmten Zeitraum vor. Es wird nicht die Zusammensetzung des Entgelts geregelt, sondern wie lange es im Krankheitsfall zusteht. Gegen die weitere Ansicht der Bekl, dass es sich beim Krankengeldzuschuss nach § 20 KollV um eine „Zulage“ handle, spricht zudem der Umstand, dass der KollV den Begriff der „Zulage“ in mehrfacher Hinsicht verwendet (zB § 10 Sozialzulagen; § 42 Ausgleichszulage Schema neu; § 43 Überleitungszulagen), § 20 KollV trägt jedoch die Überschrift „Bezüge im Krankheitsfall“.
Für die in § 20 KollV genannte Zeit ist der DG daher zur Zahlung von Entgelt und zur Beitragszahlung an die Pensionskasse verpflichtet. Dass sich diese Verpflichtung aus dem KollV ergibt und nicht aus dem Dienstvertrag oder unmittelbar aus dem Gesetz ändert daran nichts. Der Revision der Bekl war daher nicht zu folgen.
Soweit die Bekl vorbringt, dass nach der BV Pensionsbeiträge nur bei Bestehen eines Gehaltsanspruchs zu leisten sind, ist ihr entgegenzuhalten, dass wie in gesetzlich geregelten Fällen der Entgeltfortzahlung, auch in den von § 20 KollV erfassten Fällen, ein solcher Gehaltsanspruch (wenn auch nur zu 49 %) besteht. Der OGH bestätigte weiters, dass die Höhe des zugesprochenen Betrags von der Kl zu Recht auf Basis des Krankengeldbezugs errechnet wurde und nicht auf Grundlage des „anrechenbaren Gehalts“.